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Dr. Ch. A. Becker: Das Aceton, der geheime Weingeist der Adepten

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Das Aceton
(Acetonol),
 
 der geheime Weingeist der Adepten,
Spiritus Vini Lulliani s. philosophici,
 
und
 
seine medicinische Anwendung
für Chemiker und Aerzte
bearbeitet
von
DR. CHRISTIAN AUGUST BECKER,
 
Kreisphysikus a. D. Geheimen Sanitätsrates,
Ritter des K. Kronenordens III. Klasse, des eisernen Kreuzes II. Klasse und des russischen
St. Georgenordens V. Klasse.
 
 
Zweite mit einer Einleitung vermehrte Ausgabe.
 
 
______________
 
 
Mühlhausen i/Th. 1867.
 Heinrichshofen` sche Buchhandlung.
 
H. Lichtenberg.
 
 
 
 
 
DEM HERRN DR. WITTKE
Königlich Preussischem Regierungs-Medicinal-Rathe zu Erfurt,
Ritter mehrer Orden,
 
seinem verehrten Freunde
 
mit aufrichtiger Hochachtung und Dankbarkeit
 
gewidmet
 
 
 
                    vom Verfasser.
 
 

 

 

 
 
 
Vorrede.

 

          Die neuere Zeit, welche durch den Zug der Gerechtigkeit in Ausgleichung der Vergangenheit mit der Gegenwart, die Vorliebe zur historischen Forschung geweckt hat, ist auch gegen Paracelsus billiger geworden, und es ist wiederholt versucht worden, seinen Verdiensten Anerkennung zu verschaffen. Diese Arbeiten betreffen aber mehr sein System als seine Arzneimittel. Der Grund ist, dass das System als Abstraction des Verstandes dem Verstande jeder Zeitperiode offenen Eingang und Kritik gestattet, während die Kenntniss der Heilmittel, verhüllt durch den Schleier der alchemistischen Sprache, der Forschung die grössten Schwierigkeiten entgegenstellt. Schon v. Helmont widerlegte das System des Paracelsus, aber die geheimen Arzneimittel desselben hielt er in grossen Ehren.

          Das Studium des Magnets im Jahre 1827 führte mich zu Paracelsus, dessen gründliche medicinische Kenntniss desselben mich mit Bewunderung erfüllte. Damit war der Anstoss gegeben, mich mit seinen Werken näher bekannt zu machen. Die Dunkelheit seiner Sprache machte es nöthig, in den alchemistischen Schriften durch Vergleichungen Aufklärung zu suchen. Nach gerade sah ich ein, dass das wüste gelassene Feld der Arkane das Hauptziel der Kultur sein müsse, und die glänzenden Heilungen des Poterius steigerten das Interesse. Der Reiz des Geheimnisses war ein mächtiger Sporn zur Erforschung desselben. Versuche auf Versuche wurden gemacht, wobei ich bei den wissenschaftlich gesinnten Apothekern Dr. Gräger und Klauer die bereitwilligste Unterstützung fand. So beschäftigte mich namentlich die Auffindung des schmerzstillenden Schwefels des Vitriols (Sulfur Vitrioli narcoticum Paracelsi) und führte mich 1835 auf die Entdeckung des Ferrum carbonicum sacharatum. Ebenso fand ich das Aurum diaphoreticum Poterii, was sich durch Sublimation des Goldamalgams als fein zertheiltes metallisches Gold darstellte, was aber durch einfache Präcipitation der Goldauflösung mit Eisenvitriol noch feiner ausfällt, wie sich durch das Mikroskop erkennen lässt. Es ist gegen die Meinung schon in geringer Gabe sehr wirksam, und hat sich mir als ein Specificum gegen Rheumatismus, namentlich Rheumatismus cordis bewährt.

          Auf diesem Wege bin ich fortgeschritten und zu einer Anzahl von Heilmitteln gelangt, die nicht in der Pharmakopöe stehen, aber mich sichere Resultate in der Praxis erreichen lassen.

          Weidenfeld`s Schrift de secretis Adeptorum liess mich genaueren Aufschluss erwarten, aber die Hauptsache, der Spiritus Vini Lullianus, blieb mir bei der versteckten Beschreibung bis auf eine Ahnung verborgen, bis ich jetzt nach länger als zwanzig Jahren bei einem neuen Studium das Aceton darin erkannte. Dadurch wird nun ein neues Licht auf die Arzeneien der Adepten geworfen, und das Dunkel ihrer Schriften aufgehellt.

          Bei dem autorisierten Vorurtheil gegen die Alchemie darf ich auf grosse Theilnahme für meine Sachen nicht rechnen, indess findet sich doch wohl hier und dort ein Berufsgenosse, der im Stillen Interesse daran nimmt. theils um diesem den verfallenen Weg freier zu machen, theils in der Absicht, den Gewinn meiner Mühen als ein Vermächtniss meines 70. Jahres zu hinterlassen, übergebe ich diese kleine Schrift der Oeffentlichkeit.

       

      MÜHLHAUSEN, den 30. Juni 1862

                     

                    Dr. Becker.

 
 
 
Vorrede zur zweiten Ausgabe.
~~~~~

          Als ich 1862 diese kleine Schrift heraus gab, glaubte ich bei meinem hohen Alter damit mein Testament gemacht zu haben, aber die Gnade Gottes hat mir das Leben noch länger gefristet, und nach einem schweren Anfalle von Hemiplegie im April vorigen Jahres bin ich so weit wieder zu geistiger Regsamkeit gekommen, dass ich meine Studien von Neuem aufnehmen kann. Ich halte es daher für zweckmässig, folgende Einleitung dazu zu geben, und habe keinen grösseren Wunsch, als es in meinem 75. Jahre noch zu erleben, rüstigen lebensfrischen Arbeitern auf diesem verlassenen Felde zu begegnen, um den so lange vergrabenen Schatz heben zu helfen.

     

    MÜHLHAUSEN, im Februar 1867.

                   
                   

                  Der Verfasser.

 
 
 
Einleitung.

           In den Vorschriften der alten Chemiker pag. 10 - 14 ist die Characteristik des Spiritus Vini philosophici vollständig gegeben, und nur der Stoff, aus dem er bereitet wird, durch die Bezeichnung rother oder weisser Wein in geheimnissvolles Dunkel gehüllt. Zur völligen Aufklärung dient daher die Vorschrift, welche Weidenfeld pag. 329 unter dem Titel Menstruum Sericonis Riplei mittheilt, die folgendes besagt:

           Sericon oder Antimon - beides fingirte Namen, nach Dean rothes Bleioxyd - wird mit destillirtem Essig aufgelöst, und im Wasserbade bis zur Consistenz eines grünen Gummi abgedampft. Das essigsaure Salz wird aus einer starken Glasretorte destillirt, wobei zuerst blosses Wasser übergeht. Sobald sich ein weisser Dampf zeigt, wird ein grosser Recipient vorgelegt und gut lutirt. Wenn dann ein rother Dampf aufsteigt, wird das Feuer verstärkt, und bei noch stärkerm Feuer folgen rothe Tropfen. Nun wird das Feuer allmählig vermindert, und wenn alles erkaltet ist, der Recipient abgenommen und rasch verschlossen, damit sich nichts verflüchtigt. Im Halse der Retorte findet sich ein harter weisser Sublimat.

          Der Rückstand in der Retorte ist wie schwarzer Russ. Dieser wird auf eine Steinplatte aufgesteut, und heißt es pag. 331

        accende in extremitatum altera carbone vivo, et spatio elimidiae horae transcurret ignis per omnes faeces, quas calcinabit in colorum citrinum gloriosum valde.
          Dies ist die einzige Stelle im ganzen Buche, wo dies Verhalten des Rückstandes so deutlich beschrieben wird, und sie gab mir auf einmal Licht, nachdem ich Jahre lang mich in den dunklen Worten nicht hatte zurecht finden können. Die Eigenschaft, wie ein Zunder zu brennen, setzten es ausser Zweifel, dass der kohlige Rückstand von der Zerstörung eines essigsauren Salzes herrühre. Damit war das Geheimnis des Spiritus Vini philosophici enthüllt, und damit stimmten alle Producte der Destillation. Jetzt war Aqua ardens mit der Quintessenz eine einfache chemische Thatsache, und es blieb nur zu verwundern, wie die alten Chemiker Jahrhunderte lang damit hatten arbeiten können, ohne dass es bekannt geworden war. Freilich sprachen alle den Fluch über den aus, der das Geheimniss verrathen würde, und dieser Fluch hat sich, wie es scheint, als eine moralische Macht bewiesen, den Weidenfeld lässt zwar in einem später zu erfolgenden Buche die Entdeckung hoffen, aber dies Buch ist nicht erschienen, und Pott, der eine genaue Kenntniss davon hat, und den Fluch nicht zu fürchten brauchte, sagt, ob durch ein Versprechen gebunden oder aus Neid: die Bereitung ist leicht, aber ein Geheimniss.

          Der verzunderte gelbe Rückstand wird mit Essig aufgelöst, bis zum Gummi abgedampft und destillirt. Der Rückstand wird wieder eben so mit Essig behandelt und ebenfalls destillirt. Die Destillate werden zusammen gegossen, mit dem frühern vereinigt, 14 Tage digerirt und dann destillirt. Zuerst geht der Spiritus ardens über, der wiederholt rektificirt wird, bis er so stark ist, dass ein damit getränktes Linnen angezündet verbrennt. Bei diesen Rektifikationen erscheint auf der Oberfläche ein weisses Oel und ein gelbes bleibt noch zurück, welches mit stärkerm Feuer destillirt wird.

          Der Sublimat in dem Halse der Retorte wird gepulvert und an einem kalten Ort auf einer eisernen Platte zum Zerfliessen gestellt. Die Flüssigkeit wird filtrirt und mit ein wenig Aqua ardens versetzt, wodurch sich ein grünes oben aufschwimmendes Oel abscheidet; darauf wird sie destillirt, zuerst kommt Wasser, dann ein dickes Oel. Das Wasser wird in einem andern Recipienten destillirt und im Wasserbade abgedampft, bis am Boden eine dicke ölige Substanz wie geschmolzenes Pech zurückbleibt. Diese flüssige schwarze Masse wir mit Aqua ardens noch weiter behandelt, was hier nicht weiter auszuführen ist.

     
    Die Goldtinktur.
          Wie das Gold das edelste Metall ist, so hielten die Hermetiker es auch für das edelste Heilmittel, und damit kam das Aurum potabile auf den Thron, den es viele Jahrhunderte lang behauptet hat. Aber so hoch sie es ehrten, so stand ihnen ihr geheimes Auflösungsmittel eben so hoch, selbst noch höher, und sie nannten es auch Gold. Raimund bereitet in hohem Alter zu seiner Stärkung das rothe Oel aus dem Blei, und sagte, dass es köstlicher sei als Gold. Basilius Valentinus, der die Darstellung des Spiritus Vini philosophici unter dem Deckmantel der Destillation des Vitriol beschreibt, nennt das rothe Oel, schwer wie Gold, dick wie Blut, brennend und feurig, das rechte flüssige Gold der Philosophen.

          Das Ideal der Alchemisten, das Meisterstück der Kunst, war der Lapis Philosophorum, der Stein der Weisen. Zu dessen Bereitung gehörte vor allen Metallen Gold. Das gewöhnliche Gold eignete sich nicht dazu, denn es war durch die feste Verschliessung seiner Bestandtheile todt, es musste daher erst belebt werden. Dies wurde bewirkt durch Behandlung mit dem Spiritus Vini philosophici, wodurch die Seele, die Wesenheit, von dem unreinen Körper geschieden und aufgelöst wurde. Dies war dann das philosophische Gold, Aurum nostrum, die Quintessenz, die radicale Auflösung ohne Corrosiv, die durch das rothe Oel des Acetons, welches Acetum acerrimum und das wahre Dissaeveus Auri genannt wurde, zu Stande kam.

          Diese auflösende Kraft wird bestätigt durch einen Versuch, von dem Fuchs (Geschichte des Zinks pag. 200) berichtet. Hellot destillirte essigsaures Zink. Zuerst ging ein schwachsaures Pflegma über, dann zeigten sich Streifen, und auf diese folgte ein Sublimat in weissen, zarten Blumen. Nun stiegen weisse Dämpfe auf, die sich im Kopfe des Kolbens zu Tropfen eines weissgelben dann dunkelgrünen Oels verdichteten. Der Recipient enthielt eine Flüssigkeit, die sich wie Weingeist entzündete. Auf Wasser gegossen schwamm sie erst oben, vermischte sich aber dann damit, und es blieben nur einige Tropfen eines röthlichen gewürzhaften Oels oben. Der Rückstand von der Destillation war an Farbe wie Asche. Auf denselben wurde das säuerliche Pflegma gegossen, 8 bis 10 Tage digeriert, dann abgegossen und abdestillirt, so blieb am Boden eine harzige Materie. Die Operation wurde wiederholt, bis Harz genug gewonnen war. Dies wurde in einer kleinen bis zum Glühen erhitzten Retorte destillirt wodurch eine gelbe Flüssigkeit überging, nach welcher dicke weisse Dämpfe folgten. Als das Destillat auf den weissen Sublimat im Halse der Retorte gegossen wurde, löste es denselben sogleich auf, und einige Tropfen röthlichen Oels schieden sich auf der Oberfläche ab. Mit diesem Oel wurden Gold- und Silberbleche bestrichen, welche dann in 4 Stunden an der berührten Stelle augelöst wurden.

          Die Alchemie ist durch betrügerische Laboranten, Schwindler und Phantasten mit der Zeit in so üblen Ruf gekommen, dass sie allgemein für Aberglauben, Täuschung oder Betrug gilt. Erst in neuerer Zeit haben sich einzelne Stimmen der gelehrten Welt dem Ausspruche des Marsilius Ficinus, dass die alten und neuen Philosophen, wie sich damals die Naturforscher nannten, viele Mühe und Arbeit aufgewandt haben, um die Natur zu erkunden, angeschlossen, und das ehrenwerthe Streben der alten Chemiker anerkannt. Es war die damalige Form der Naturforschung. Als Grundsatz stand fest, dasse alle Körper aus den drei chemischen Grundstoffen Salz, Schwefel und Quecksilber zusammen gesetzt sind. Die Namen, die blos symbolisch sind, und etwas ganz anderes bedeuten, würden vergleichsweise nach der heutigen Sprachweise als

        Mercur = Wasserstoff,

        Sulfur = Kohlenstoff,

        Sal = Sauerstoff

zu bezeichnen sein. Es fehlt der Stickstoff, dessen Existenz aber als einfacher Grundstoff noch zweifelhaft ist.

          Die Theorie lehrte, dass die Verschiedenheit der Metalle auf dem quantitativen Verhältnisse dieser drei Grundstoffe gegen einander beruhe, und dass es daher möglich sei durch Abänderung des Mischungsverhältnisses die Metalle zu verändern und bis zur Vollkommenheit des Goldes und Silbers zu bringen.Da das Mischungsverhältniss nur hypothetisch bestimmt war, so war der Versuch nur empirisch technisch, indem dabei aber alle Metalle und viele Mineralien in Arbeit genommen wurden, so gab dies Gelegenheit zu vielen chemischen Entdeckungen, die der Wissenschaft überhaupt zu Gute kamen. Die Tendenz war also bei den Gelehrten und in hohen Würden stehenden Männern, wie Albertus Magnus und Roger Baco ganz analog dem Eifer der heutigen Forschung die Körper zu zerlegen und neue Verbindungen hervor zu bringen. Die alte Chemie kam in der Transmutation der Metalle zu keinen sicher gestellten positiven Resultaten, dagegen hat die neue die Atome nicht blos berechnet, sondern auch ihre Abänderung ausgeführt.

          Die Chemie, die bei den Arabern als Wissenschaft frei gelehrt und von den Chalifen beschützt wurde, fand beim Uebergang auf das christliche Abendland Misstrauen und Verdächtigung. Sie kam von den Ungläubigen, ihr Treiben wurde mit Zauberei und Teufelskünsten in Verbindung gebracht und von der Kirche verfolgt. Die Beschäftigung damit war bürgerlich gefährlich, und physisch durch die Dämpfe der Mineralien und die grossen Anstrengungen nicht ohne Nachtheil für die Gesundheit. Es bedurfte grosser Lockungen, um Anhänger und Schüler zu finden, aber diese fehlten nicht. Wie die Kirche den Gläubigen die ewige Seligkeit zusicherte, so versprach die Alchemie mittelst des Lapis durch Erhaltung und Gesundheit, Verlängerung des Lebens und grossen Reichthum den Himmel auf Erden; dazu kam das Geheimniss mit seinen verführerischen Reizen. Von der Erhabenheit ihres Ideals durchdrungen, versenkten sich die Alchemisten in die religiöse Mystik; alles wurde mit Gott angefangen und unter seinem Schutze fortgeführt, und nur durch besondere göttliche Gnade und Erleuchtung war in dem Besitz des Steins der Weisen zu gelangen.

          Die radicale Auflösung des Goldes, die ohne Corrosiv bewirkt wurde, und aus der das Metall nicht reducirt werden konnte, war das wahre Aurum potabile, die Quintessenz. Rupescissa sagt, die Quintessenz des Goldes ist Aurum Dei und Bestandtheil des Lapis und wird ganz in Nutriment verwandelt. Das gediegene Gold wird nicht in Nutriment verwandelt, sondern so ausgeschieden, wie es eingenommen ist. Aurum alchymicum, was aus Corrosiven zusammen gesetzt ist, zerstört die Natur; deswegen wird das Aurum Lapidis Aurum Dei genannt.

          Paracelsus erklärt, die Quintessenz im Golde ist sehr gering, sie hat aber die Farbe in Kraft desselben, und wenn sie extrahirt ist, so hat das rückständige Metall seine Kraft verloren. Sie unterscheidet sich vom Aurum potabile dadurch, dass sie nicht wieder zu metallischen Gold reducirt werden kann, während das Aurum potabile zum metallischen Körper verwandelt werden kann, deswegen ist die Quintessenz edler.

Raimund giebt folgende ausführliche aber umständliche Vorschrift:

  1. Spiritus Vini philosophici wird dreimal über Sal Tartari destillirt, und dies Destillat 50 Tage lang in Digestion gehalten, bei deren Schluss sich ein gelber Bodensatz findet.
  2. Gold und Silber werden jedes für sich calcinirt, d.h. amalgamirt und das Quecksilber verdampft.
  3. Das zurückbleibende calcinirte Metall wird jedes für sich mit dem geschärften Spiritus Nr. 1 drei Finger brei übergossen, und erst im Wasserbade, dann im Aschenbade im Sieden gehalten. Die Auflösung des Goldes ist gelb, und wird behutsam abgegossen, ebenso die des Silbers, welche grün oder blau ist.
  4. Der Rückstand der Metalle wird wiederholt ebenso behandelt, bis alles aufgelöst ist.
  5. Diese Auflösungen werden jede für sich 40 Tage lang in gelinder Digestion gehalten, dann wird im Wasserbade das Auflösungsmittel abdestillirt, womit die Metalle wie ein Oel zurückbleiben. Das Destillat wird auf das Oel zurückgegossen und 24 Stunden im Wasserbade digerirt und destillirt.
  6. Das Destillat wird im Sandbade erst gelinde destillirt, wobei das Wasser übergeht, dann mit stärkerm Feuer, wodurch erst der Spiritus und bei noch stärkerm Feuer auch ein Theil des Oels übergeht.
  7. Das im Wasserbade zuerst übergegangene Wasser wird dem Destillat zugesetzt, digerirt, im Sandbade destillirt, und dies so oft wiederholt, bis das ganze Gold und Silber herübergegangen ist.
  8. Die Auflösungen werden im Sandbade 7 mal rektificirt.
  9. Nun werden beide zusammengemischt und 60 Tage circulirt.
Damit ist das grosse Auflösungmittel bereitet, welches alle Metalle radical auflöst.

          Nun wird andres mit Quecksilber amalgamirtes und durch Verdampfung des Quecksilbers calcinirtes Gold mit dem Auflösungsmittel Nr. 1 digerirt, und nach dessen Abziehung mit dem Menstruum majus übergossen, um das Gold aufzulösen und nachdem dieses geschehen, abgegossen. Auf den Rückstand wird frisches Menstruum majus aufgegossen bis zur völligen Auflösung, und diese mit der vorigen zusammengegossen. Die Auflösung ist wie der schönste Rubin oder Carfunkel. Sie wird 20 Tage im Wasserbade und 20 Tage im Aschenbade circulirt. So findet man am Boden das Gold in ein schönes Harz verwandelt, und oben drüber steht das Wasser, welches behutsam abgegossen werden muss. Das Harz löst sich in jeder Flüssigkeit. Dies ist das rechte Aurum potabile.

          Der Prozess ist so deutlich beschrieben, dass er, mit Ausnahme des verhüllten Auflösungsmittels ganz verständlich ist. Bemerkenswerth ist, dass nicht bloss Gold, sondern auch Silber dazu gehört.

          Die Vorschrift bei Rupescissa ist einfacher. Goldamalgam wird durch Verdampfung des Quecksilbers auf das feinste atomisirt und so vorbereitet, mit Acetum Philosophorum im heissen Sommer an die Sonne gestellt. Dadurch bildet sich auf der Oberfläche ein Oelhäutchen, welches man abnimmt, wie es sich bildet, und in ein Glas mit etwas Wasser giebt. Man dampft das Wasser ab, so bleibt die Quintessenz des Goldes, welche die grösste Süsse hat.

          Aehnlich dürfte es sich mit der Essentia dulcis des Hallischen Waisenhauses verhalten. Nach dem Berichte des Dr. Richter, des Erfinders derselben, ist der wesentliche Bestandtheil ein subtiles purpurrothes Gold, welches sich in Weingeist ohne Trübung und Rückstand schnell auflöst. Wird der Spiritus abgezogen, so bleibt ein schwärzliches Pulver zurück, welches sehr leicht in ein zartes, lockeres, purpurrothes und süsses Pulver verwandelt werden kann; dabei geht aber noch vom Gewicht etwas verloren, indem das allersubtilste, auch bei ziemlich gelinden Feuer als Dampf aufsteigt, der, wenn er aufgefangen wird, sich zu rothen Tropfen verdichtet.

          Die Art, das Gold zu präpariren, ist von der gemeinen Weise ganz verschieden, und obgleich einige unschädliche Mineralien dazu bebraucht werden, so wird doch aller fremde Zusatz so davon geschieden, dass man durch alle Proben erweisen kann, dass nichts Corrosivisches darin enthalten ist.

    Das Loth der ordinären Essenz kostet 2 Thlr.

    Das Loth der concentrirten Essenz kostet 8 Thlr.,

da letztere die vierfache Menge Gold enthält. Man hat das Mittel zu theuer gefunden und behauptet, dass der Antheil des Goldes kaum 1/8 des Preises betrage. Das Gold ist allerdings das wenigste, aber die übrigen Unkosten und die Mühe der Bereitung, bei der etliche Leute Jahr aus Jahr ein beschäftigt sind, betragen so viel, dass der Preis in Vergleich mit der Taxe anderer Arzeneien noch weit höher angesetzt werden müsste.

          In Crell`s Annalen von 1747 erklärt der Arzt des Waisenhauses Dr. Richter, ein Enkel des Erfinders, dass der Prozess mit der Zeit aufhören werde, ein Geheimniss zu sein. Ich finde keine Nachricht darüber, und ist von Halle Aufklärung zu erwarten.

          Diese Nachrichten sind sehr dürftig, und deswegen verdient ein ausführlicherer Bericht von Wöllner (Diss. inaug. de Epilepsia ejusque medicamento specifico Essentia dulcis adpellato. Lugduni Batavorum 1706, 4. p. 22) mitgetheilt zu werden. Hiernach ist sie aus dem reinsten Golde bereitet, welches in so grosse Feinheit gebracht ist, dass auch der einfache Spiritus Vini rectificatissimus eine grosse Menge derselben auflöst, und sich rubinroth färbt. Die Eigenschaften, welche die Chemiker dem radical aufgeschlossenen Auro potabile zuschreiben, sind auch bei dem Golde der Essentia dulcis zu beobachten, dass es nämlich sich zum grössten Theile nicht zu einem metallischen Körper reduciren lässt, sondern bei mässigem Feuer wie Rauch davon geht. Wenn auf diese Essenz eine reichliche Menge Wasser gegossen wird, so trübt sie sich zuerst, dann setzt sich ein sehr feines Pulver zu Boden, welches in gelinder Wärme getrocknet eine gelbe Farbe und den bitterlichen Geschmack des Goldes zeigt. Dies ist aber von solcher Feinheit, das es in Weingeist gegeben vollständig wie Wachs zerfliesst, und wieder die Essentia dulcis in Farbe und Geschmack darstellt. Daraus geht hinlänglich hervor, dass die Farbe der Essentia dulcis von diesem Pulver oder dem feinsten Crocus Auri herrührt. Wenn dies Pulver in einem Glase mässig über Kohlen erhitzt wird, so zeigen sich im Glase hin und wieder sehr feine Körnchen von reducirtem Golde, aber der grösste Theil des Rückstandes scheint so aufgeschlossen, verfeinert und von allen metallischen Fesseln gelöst zu sein, dass er sich nicht zu Metall reduciren lässt; denn wie das Pulver das Feuer fühlt, so fliegt der grösste Theil in Rauch davon, wobei ein feines Pulver zurückbleibt, welches weder durch Spiessglanz noch Blei reducirt werden kann, aber mit Sal Tartari gescholzen ein höchst rothes purpurfarbiges Salz bildet, was selbst den Tiegel durchdringt und aussen mit einer Purpurfarbe färbt.

           1723 erliess Kleinfelder in Königsberg eine Achterklärung gegen diese Essenz, indem er behauptete, sie sei weiter nichts als eine Tinktur von gebranntem Zucker, und die von ihm erfundene Zuckertinktur wirke eben so viel, wie die Essentia dulcis, wenn auch wirklich Gold darin sein sollte. Später hat man geglaubt, der mit Aether zur rothbraunen Tinktur ausgezogene schwarze kohlige Rückstand bei der Bereitung des Aethers, mit Franzbranntwein gemischt, sei die Essentia dulcis.

           Es scheint, dass der Prozess auf Grund der Vorschrift von Lullius bereitet worden ist. Darauf führt die Bereitung aus dem schwarzen Rückstande bei der Darstellung des Aethers. Die falsche Deutung mag daher gekommen sein, dass Lullius den Stoff für den Spiritus Vini philosophici an vielen Stellen Nigrum nigrius nigro nennt, und nach der Destillation des essigsauren Salzes eine schwarze Masse wie geschmolzenes Pech zurück bleibt. Vielleicht hat ein Spürer des Laboratoriums diesen schwarzen Rückstand in der Retorte erlauscht, und die Weingeist-Kohle darin zu entdecken geglaubt.

          Die frühen Hermetiker machten einen vielfachen Gebrauch von ihrem Aceton, theils zu chemischen Prozessen in Verbindung mit Säuren und Salzen, theils zur Bereitung der Arzeneien. Aus den vegetabilischen Stoffen wird die Quintessenz in drei Stunden damit ausgezogen. Interessant ist die Beobachtung des Rupescissa, dass die Laxantia dadurch viel stärker wirken, und desshalb die Gabe viel kleiner sein muss.

          Von den spätern Chemiatrikern hat Quercitanus es zur Bereitung des Antipyreton und einer Goldtinktur gebraucht, und Agricola hat ebenfalls mehre Arzeneien damit verfertigt, aber ohne zur Kenntniss zu kommen, dass er das Menstruum Lullii, wonach er so sehr verlangte, bereits besitze.

    Erwähnung verdient die
Heilung des Podagra,

          die der Graf Onuphrio de Marsciano in seinem hermetischen Sendschreiben von 1744, p. 30 erzählt. Als er schwer an Podagra litt, legte er den Spiritus auf den geschwollenen höchst schmerzhaften Fuss, und o Wunder ! sagt er, alsbald hat der Schmerz ganz und gar nachgelassen, daher ich gleich vor Freude zu tanzen angefangen, nicht ohne höchste Verwunderung meines Freundes. Es hat mich auch danach das Podagra nicht mehr geplagt und habe nicht die mindeste Beschwerde danach gehabt, sondern bin gänzlich frei und gesund wie vorher geblieben; aber ich habe von da an 15 Tage lang in der Frühe nüchtern 20 Tropfen genommen zur vollkommenen Reinigung des Geblüts, indem es in der Welt keine soche Blutreinigung giebt. Er nennt das Mittel blos Spiritus simplex, aber in der hermietischen Untersuchung pag. 161, wo er aus Lullius anführt, dass die Quintessenz von aller Mattigkeit und Krankheit heilt, alle Schwachheiten entfernt, vor allen Krankheiten schützt und die Jugend erhält, sagt er deutlich: Und ich schwöre dir in Wahrheit, dass ich Wunderdinge von diesem simplici Spiritu Vini philosophici gesehen habe, ja ich habe damit auch das Podaagra vollkommen geheilt, wie viele gesehen haben und erstaunt sind.

          Die neuere Chemie hat seit der Auffindung des Acetons durch Chenevix als Spiritus pyro-aceticus die Erforschung desselben wieder aufgenommen, aber nur im analytischen Interesse, ohne Rücksicht auf den medicinischen Werth desselben, und die Heilkunst ist dabei noch leer ausgegangen, ohne ihren Pflichttheil zu erhalten.

          Die Hermetiker rectificirten das rohe Aceton zur Entfernung des Wassers wiederholt, bis es so concentrirt war, dass es wie Alkohol verbrannte. Die neuern Chemiker entwässern es durch Chlorcalcium, was aber nicht zu billigen ist, indem dasselbe mit dem Holzgeiste, dem das Aceton analog ist, eine Verbindung eingeht, die bei 100° nicht zersetzt wird, was möglicher Weise auf das Product als Medicament einen störenden Einfluss hat. Es scheint auch gar nicht nöthig zu sein, da die Aqua ardens (das Aceton) flüchtiger als Weingeist schon bei 48° in Adern übergeht und erest bei stärkerm Feuer das Wasser und zuletzt bei noch stärkerm Feuer die beiden Oele folgen.

          Das ganze Destillat wurde mehre Wochen in der Wärme des Pferdemists (30°) in Digestion gehalten, wobei sich nachgerade das Oel, die Quintessenz, auf der Oberfläche absetzte und den grössten Wohlgeruch verbreitete. Dies Oel ist ein doppeltes, das eine destillirt nach Fittig (über Aceton 1858 pag. 48) bei 90°, das andre, das Dumasin bei 120°. Diese beiden Oele bilden den Kern des Heilmittels, das Präparat ist also ein Acetonium oleosum, und muss sprachrichtig

Acetonol

genannt werden.

          Das reine Aceton, wie es die chemischen Fabriken liefern, hat medicinisch geringen Werth. Es ist klar und wasserhell, verbrennt auch vollständig, hat aber keine Spur von Oel auf der Oberfläche. Dies steckt aber doch darin, denn wenn man es eine geraume Zeit in gelinde Digestion stellt, so kommt es zum Vorschein und schwimmt oben. Ich habe dies schon früher beobachtet und jetzt den Versuch wiederholt. Ich setzte 1/2 Unze reines Aceton in einem nicht fest verschlossenem Glase auf den Hinterofen. Nachdem etwa die Hälfte verdunstet war, zeigte sich eine Spur von Oel, und nach 2 Monaten, wo es bis zu 1/4 Drachme verdunstet war, stand eine deutliche Schicht eines wasserhellen Oels auf der Oberfläche.

          Das reine Aceton mag als chemisches Präparat ganz gut sein, aber therepeutisch ist es ein geschwächtes ölarmes Product, was nur den Schein hat, wie Vanilleschoten, denen das aromatische Benzoeharz entzogen ist.

          Für den Zweck der medicinischen Anwendung wird es rathsam und zu fordern sein, dass es nach derselben Methode bereitet wird, wie die Hermetiker verfahren haben. Das kostet viel Zeit und Geduld, und ist von den Apothekern bei der jetzigen Lage des Geschäfts nicht zu erwarten, denn schon 1668 klagte Jüngken bei Besprechung des Weidenfeld`schen Spiritus Vini Lulliani, dass die heutigen Chymici nichts sonderliches mehr zu Wege bringen, denn wenn sie des Morgens anfangen zu laborieren, so hören sie zu Nacht wieder auf, und das ist eine verkehrte Art, denn gut Ding will Weil haben.

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Helias Artista.

          Paracelsus hat wiederholt eine Prophezeihung ausgesprochen, die von seinen Anhängern mit gläubigen Vertrauen aufgenommen worden ist, und im geschichtlichen Interesse eine Erinnerung verdient. Die bezüglichen Stellen sind:

    1) Aus der Vorrede zur Tinctura Physicorum, deutsche Ausgabe. T.I. p. 921.
          Meine Theorik, welche aus dem Lichte der Natur geht, kann wegen ihrer Beständigkeit nimmer verkehrt werden, und wird in dem Jahre 58 anfangen zu grünen. Und die Practik, so darauf folgt, wird sich mit unglaublichen Zeichen und Wunderthaten beweisen, dass auch die Handwerksleute sammt dem gemeinen Pöbel verstehen werden, wie Theophrasti Kunst bestehe gegen der Sophisten Sudlerei, welche von wegen ihrer Untüchtigkeit mit päbstlichen und kaiserlichen Freiheiten bekräftigt und beschützt sein will.
    und ib. p. 924.
Dieser Arkane, welche die Transformationes geben, sind noch mehr, wiewol wenigen bekannt. Und ob sie schon einem von Gott eröffnet worden, so bricht doch der Ruhm der Kunst nicht also von Stund an hervor, sondern der Allmächtige giebt ihm auch gleich den Verstand mit, dieselbigen andern zu verhalten bis auf die Zukunft Heliae Artistae, da das Verborgene wird offenbar werden.
    2) de mineralibus. T. II. pag. 133.
          Das ist aber wol wahr, dass in der Erden noch viel liegt, das ich nicht weiss; es habens auch andre kein Wissen. Denn das weiss ich wohl, dass Gott noch viel Seltsames wird an Tag legen, das noch bisher nie gelegt und offenbaret worden ist, davon wir alle noch nie gewust. Das ist auch noch wahr, nichts ist verborgen, das nicht offenbar wird, darum so wird nach mir einer kommen, dessen Magnal noch nicht lebt und es öffnen.
    3) Von den natürlichen Dingen. Cap. VIII. Vom Vitriol T. 1. p. 1056.
          Darum so sage ich, dass grosse Heimlichkeit in der Natur, auch in andern Dingen der Natur in den Geschöpfen Gottes ist, und noch auf die Stunde besser und nützer wäre, man studirte noch in solchen Dingen, denn dass man Sauferei und der Jurerei, auch andrer Büberei nachlauft. Aber jetzt ist die Zeit also, dass man der Hurerei achtet so lang, bis der dritte Theil der Welt erschlagen wird, der andre am Schelmen stirbt und kaum der dritte überbleibt. Alsdann so wird es wiederkommen in seinen rechten Stall. Aber bei dem Lauf, wie er jetzt ist, so mag es nicht sein. Auch müssie die Stände untergehen und gar aus der Welt gereutet werden, sonst mag es auch nicht geschehen. Alsdann ist die güldene Welt, das ist, alsdann wird der Mensch in seinen rechten Verstand kommen und menschlich leben, nicht viehisch, nicht säuisch, nicht in der Spelunken.
    Wann ist dieser Zeitpunkt ?
          Während Einige mit Sehnsucht den Helias Artista erwartet haben, wird er von andern nicht als eine Person, sondern als Ausdruck einer Periode angesehen, wo die Wissenschaft auf der höchsten Stufe ihrer Blüthe stehen und ein Gemeingut aller sein werde.

          Ein solcher Zeitpunkt hat mit der neuern Chemie begonnen, und will man unsere Zeit für diese Periode ansehen und den Helias Artista personificiren, so wird niemand in Zweifel sein, auf wen in Deutschland die Augen der gebildeten Welt sich sogleich richten.

          Die theologische Ansicht rückt das Ziel weiter hinaus. Happelius, der im Vol VI. Theatra chemici eine Abhandlung über den Helias Artista giebt, bezieht sich auf die Offenbarung des Johannes, Cap. 6 und 9, und sieht den Zeitpunkt eingetreten, wenn durch Krieg der dritte Theil der Menschen getödtet, durch die Loslassung der an den Grenzen des Römischen Reichs am Euphrat angebundenen Engel die Pest verbreitet, der dritte Theil der Menschen gestorben und der Sieg des Lammes errungen ist. Dann ist die Ordnung wieder hergestellt, dann wird das Antlitz der Kirche erneuert, dann werden die Reiche der Welt dem Scepter Christi unterworfen und die Juden bekehrt werden.

 
 
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Der Weingeist der Adepten.

          Die Grundlage dieser Untersuchung bildet die Schrift von Johannes Seger Weidenfeld de secretis Adeptorum sive de usu Spiritus Vini Lulliani Libri IV. 1685. 12.

          In der Zueignungsschrift an Robert Boyle berichtet Weidenfeld über den Gang seiner Studien. Er hatte vor zehn Jahren die Werke des Paracelsus mit rastlosen Eifer studirt, aber nach zweijähriger Mühe keine klare Einsicht gewonnen. Namentlich war es die unglückliche vorgefasste Meinung vom Alkahest, die das grösste Hinderniss machte. Bereits ohne Hoffnung, die Bereitung desselben zu erlernen, verglich er nach einander die Beschreibungen vom Circulatum minus, Specificum corrosivum etc., um daraus die Methode der Darstellung zu finden, indem er immer der Üeberzeugung war, dass unter allen ein und dasselbe allgemeine Auflösungsmittel zu verstehen sei. Vielfache und kaum glaubliche vergebliche Versuche vereitelten seine Hoffnung, und er hatte schon den Vorsatz, die Chemie und Medicin aufzugeben, da wurden ihm unerwartet die Augen geöffnet und er sah, dass sie alle nicht nur dem Namen, sondern auch dem Stoffe, der Bereitung und dem Gebrauche nach verschieden seien. So fand er statt des einzigen Liquor Alcahest mehre Auflösungsmittel und erkannte ihren Gebrauch und ihre Bereitung. Was also andern im Paracelsus unverständlich war, wurde ihm deutlicher und er erlangte das Ende eher als den Anfang. Die Freude dauerte aber nicht lange, denn verschiedene vergebliche Versuche belehrten ihn, dass in den Paracelsischen Auflösungsmitteln noch etwas Geheimes enthalten sei, was nicht buchstäblich genommen werden dürfe.

          Damit liess er die Untersuchung über den Alkahest fallen, und wandte sich an das Studium von Lullius, Basilius etc. Da sah er, dass sie zur Bestätigung der Paracelsischen Auflösungsmittel alle übereinstimmten, dass die Bereitung derselben einfach und buchstäblich zu verstehen war, und nur ein Wort unbekannt blieb, was aber nach dem Ausspruche der Adepten die allgemeine Basis aller bezeichnet, nämlich der Spiritus Vini philosophici, mit dessen Kenntniss und Besitz die grössten Geheimnisse der Chemie offen stehen.

          In Wilna hörte er von Robert Boyle, der zuerst und allein in der Chemie eine deutliche und offene Sprache führte. Er reiste deswegen zu ihm nach England, um mit ihm über die Auflösungs- und Arzeneimittel des Paracelsus und andere Geheimnisse sich zu besprechen. Boyle nahm ihn gut auf, lobte seine Studien und steigerte dadurch seinen Eifer zu grössern Leistungen.

          Es ist auffallend, dass dieser Spiritus Vini philosophici, dessen Darstellung durch Weidenfeld kenntlich gezeichnet ist, von den spätern Chemikern nicht erwähnt wird. Nur bei Pott (Exerc. chym. Berolini 1738. 4.) p.21 finde ich ihn mit den Worten beschrieben: Es giebt ein öliges Menstruum, was noch keinen Namen hat und von keinem Chemiker offenbart worden ist. Es ist eine reine, helle, flüchtige Flüssigkeit wie Weingeist, ölig, brennt mit sehr heller Flamme, schmeckt sauer wie starker Essig, geht bei der Destillation wie Schneeflocken über, greift alle Metalle, auch das Gold an, welches es roth extrahirt, und wenn das Menstruum abgezogen wird, bleibt die Tinktur wie ein Harz zurück, welches sich in Spiritus Vini tiefroth auflöst und einen schwarzen Rückstand lässt, woraus, wie ich glaube, das Sal Auri verfertigt werden kann. Diess Menstruum mischt sich mit Wasser und Oelen, und wenn ich meine wahre Meinung sagen soll, so halte ich es für das wahre Menstruum Weidenfelds, den Spiritus Vini philosophici. Die Bereitung ist leicht und einfach, aber ein Geheimnis - und Pott theilt es auch nicht mit. Weidenfeld hat im 5. Buche Aufklärung versprochen, aber dies 5. Buch ist nicht erschienen. Andere haben das Präparat dargestellt und als Arzeneimittel angewandt, aber seine Identität mit dem Spiritus Vini Lulliani nicht gekannt. Die neuere Chemie hat sich vielfach damit beschäftigt und seine Natur ergründet, aber noch nicht Gelegenheit gefunden, ihre Untersuchungen an die Arbeiten der Adepten anzuknüpfen und es für den medicinischen Gebrauch zugänglich zu machen.

          Dies führt ganz von selbst dahin, einen Blick auf die pharmaceutische Chemie zu werfen. Die frühere Aufgabe der Aertze war, die Anfertigung und Verbesserung ihrer Waffen, namentlich der chemischen Arzeneimittel, selbst zu besorgen. Das grosse Triumvirat von Stahl, Börhave, Hoffmann brachte die pharmaceutische Chemie auf ihren Gipfel. Das Arsenal war reich ausgerüstet. die Apotheker standen den Aerzten helfend zur Seite, und da sich diese auf jene verlassen konnten, so wurde ihnen allmählich alles überlassen, und nur vereinzelt beschäftigten sich noch Aerzte mit Erforschung und Bereitung chemischer Arzeneien. Der Aufschwung der Botanik durch Linné, der pathologischen Anatomie durch Morgagni, der Physiologie durch Haller, der Chemie durch Lavoisier führte die Aerzte auf andere Felder, die in dem noch wenig gebauten Boden reiche Ernten verhiessen. Die Pharmacie folgte rasch dem gewaltigen Fortschritt der neuern Chemie und gelangte zu einer Geltung, die vom Staate und den Aerzten begünstigt und gefördert wurde. Die Rechte der Apotheker wurden mit freigebiger Hand festgestellt, und die gesicherte Lebensstellung erhöhte die Leistungsfähigkeit und den wissenschaftlichen Eifer des Standes. Die technische Chemie ging aber immer weiter vorwärts und führte zur Anlage von chemischen Fabriken. Damit änderte sich die ganze Lage. Die vortheilhafte Stellung der Apotheker und die wohlfeile Beschaffung der Präparate aus den Fabriken, wodurch die Zeit und Geld kostenden Arbeiten im Laboratorium zum grossen Theile erspart wurden, gebar den Schwindel mit den Apotheken. Die Preise stiegen um das doppelte und dreifache. Eine Apotheke, die 20,000 Thlr. werth war, sicherte ihrem Besitzer eine gute Einnahme; der neue Käufer bezahlte 40,000 Thlr, und nun sollten doch auch die Zinsen von der Zulage von 20,000 Thlr. herausgeschlagen werden. Da ertönte fortwährend die Klage über Ungenügtheit der Taxe, Beeinträchtigung der Rechte, Mangel an Schutz.

          So sehr die Regierung durch Erhöhung der Taxe der Arzneimittel und Arbeiten abzuhelfen suchte, die Klagen dauerten fort, denn mit der vermehrten Einnahme stiegen auch die Preise der Apotheken und somit auch die Zinsen für das widernatürliche Zulage-Capital.

          Die Preussische Regierung versuchte die herangewachsene Macht des Apotheker-Ordens zu begränzen, indem sie 1810 den neu errichteten Apotheken nur Concessionen auf die Person gab. In den neu erworbenen französich oder westphälisch gewesenen Provinzen waren alle Privilegien bereits aufgehoben und bestanden nur Concessionen. Im Verlaufe der Zeit verschwand aber im Handel und Wandel der Unterschied zwischen Concession und Privilegium, und die Regierung nahm durch die Allerhöchste Ordre von 1842 die freie Verfügung des Staats über die Concessionen wieder an sich. Danach wurde bestimmt: 1) der Concessionirte sollte verpflichtet sein, die Vorräthe u.s.w. nach dem Taxpreise, also nach dem wirklichen Werthe, zu übernehmen; 2) es sollte ein Concurs eröffnet werden und die Regierung behielt sich vor, dem würdigsten qualificirten Apotheker die Concession zu ertheilen.

          Das war das Ideal. Die Concessionen wurden damit Staatsanstellungen, und der Staat hatte es in der Hand, wie bei seinen andern Beamten, die talentvollsten und strebsamsten Pharmaceuten zu einer glänzenden wissenschaftlichen Kette zu vereinigen.

           Das Mittel zur Ausführung wurde aber nicht in Anwendung gebracht; es bestand darin, den Preis der Concessionen nach seinem ermittelten Werthe zu erhalten, also die Taxe danach einzurichten, dass der Ertrag ein genügender, aber kein übermässiger wurde. Die bereits concessionirten Apotheker protestirten lebhaft gegen diese vermeintliche Beschränkung ihres Eigenthumsrechts, und schon nach vier Jahren fand sich die Regierung bewogen, der Reaction nachzugeben, das Ideal bei Seite zu stellen und in den alten Hohlweg wieder einzulenken.

           Seitdem hat die Sache ihren verderblichen Gang behalten. Die Apotheken sind zu blossen industriellen Anlagen herabgesunken. Als industrielle Unternehmungen sind sie den Chancen derselben ausgesetzt, und der Staat hat dem Lande gegenüber nicht die Verpflichtung, dies Börsenspiel zu halten und zu stützen. Die Noth der Zeit hat die Kraft des Staates wieder aufgerichtet. In Österreich sind die Feudalrechte, in Baiern die Realrechte der Gewerbe ohne Entschädigung aufgehoben, und auch in Preussen ist die Steuerfreiheit der Rittergüter durch eine angemessene Loskaufung beseitigt.

           Wie die Concessionen gehandhabt werden, habe ich an einem Beispiele auffällig gesehen. Ein speculativer Apothekergehülfe beantragte, eine Apotheke auf einem Dorfe anzulegen, was abgeschlagen wurde. Er gestand mir offenherzig, es wäre gar nicht seine Absicht gewesen, die Apotheke zu behalten, sondern er würde sie nach einigen Jahren, wenn er sie in einen blühenden Stand gebracht hätte, verkauft und auf einen Gewinn von 6000 Thlr. gerechnet haben, mit dem er dann etwas anderes habe anfangen können.

          Bei dieser Lage der Apotheken, wo das Laboratorium seine alte ehrwürdige Bedeutung verloren hat, geht die ernstliche Mahnung an die Aerzte, sich der Bearbeitung der chemischen Arzneimittel wieder anzunehmen. Die Zahl der dazu befähigten ist bei der Begeisterung für die Chemie eine sehr ansehnliche, und es kann nicht fehlen, dass grosse Resultate gewonnen werden. Dies wird auch den grossen Nutzen haben, dass bei der eignen Beschäftigung damit ein grosses Vertrauen zu den Mitteln gewonnen wird. Die Anklagen über die Unzuverlässigkeit der Arzeneien und die Mangelhaftigkeit der Therapie werden verschwinden, denn sie beruhen nur darauf, dass die jungen Aerrrzte in der Mehrzahl der praktischen Kenntniss der Mittel bar sind. Sie kennen ihre Waffen nicht, und wissen sie deshalb nicht zu führen.

          Die Chirurgie hat ein grosses Instrumentarium. Kein Chirurg hat vor dem Ambos gestanden, sondern der Stahlarbeiter hat alle Instrumente verfertigt, aber keiner hat eins erfunden, sondern der Chirurg hat in seinem Geiste nach seinem Bedürfniss das Instrument erfunden, der Stahlarbeiter hat nur seine Idee ausgeführt. Wie der Chirurg nicht ohne den Instrumentenmacher, so kann der Arzt nicht ohne den Apothekern bestehen, aber beide sind nur Gehülfen, nicht Leiter. Der falsche Weg, dass der Apotheker sich zum Leiter vordrängte, hat der praktischen Medicin manchen Schaden gebracht. Viele unsrer besten Arzneimittel stammen aus alter Zeit, und ihre noch jetzige Anwendung gründet sich auf die Empfehlung durch die alten Beobachtungen. Die beabsichtigten vermeintlichen Verbesserungen der Formeln sind häufig nur Verfälschungen. Ein andrer Fehlgriff ist gewesen, die Namen der Mittel zu verändern und sie der gerade herrschenden chemischen Therapie anzupassen. Vergebens legte Hufeland im Namen der praktischen Aerzte eine Fürbitte für die Erhaltung der alten Benennungen ein, die regierende Pharmacie fand es unter der wissentschaftlichen Würde, und machte nur aus besonderer Rücksicht das Zugeständniss, sie in Parenthese beizufügen. Mercurius dulcis und Calomel sind alte Namen für das so gangbare Mittel aus älterer Zeit, und die Aerzte haben sie ausnahmsweise noch fest gehalten, aber die Pharmakopöen haben es unter mehr als sieben Namen, die alle wissenschaftlich waren, aber theilweise wieder unwissentschaftlich geworden sind. Der alte Salmiak hat seinen ehrlichen Namen durch die chemischen Wiedertäufer verloren. So gelangen wir an den Thurm von Babel, und wenn die Aerzte dabei bleiben, die alen Erbschaften nicht aufzugeben, so werden sie sich mit den Pharmaceuten bald nicht mehr verständigen können.

 
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Die Bereitung des Weingeistes der Adepten.
(Spiritus Vini philosophici s. Spiritus Vini Lulliani.)

          Die Urvorschrift giebt Raimund Lull in Libr. de quinta Essentia, und Weidenfeld macht damit den Anfang. Der Inhalt ist:

          Man destillirt den besten rothen oder weissen Wein - Vinum rubeum vel album - auf die gewöhnliche Art zur Aqua ardens. Diese wird dreimal rektificirt und gut verwahrt, damit der brennende Geist nicht verfliegt. Das untrügliche Zeichen ist, dass damit angefeuchteter Zucker an die Flamme gebracht, verbrennt wie Branntwein. Wenn dies Wasser so bereitet ist, so hat man den Stoff, aus welchem die Quintessenz ausgezogen wird. Man bringt es in ein Circulirgefäss, verschiesst es hermetisch, und setzt es in Pferdemist, wo die Wärme gleichmässig bleibt. Es ist nothwendig, dass die Wärme nicht abnimmt, sonst würde die Circulation (Digestgion) des Wassers gestört und nicht erhalten werden, was gesucht wird; wenn aber eine anhaltende Wärme angewandt wird, so scheidet sich bei fortgesetzter Digestion die Quintessenz ab, was man an der Linie, die den obern Theil, nämlich die Quintessenz, von dem trüben untern scheidet, sehen kann. Hat die Digestion lange genug gedauert, so öffnet man das Gefäss, und wenn ein wunderbarer Geruch hervordringt, mit dem kein Wohlgeruch der Welt verglichen werden kann, und der alle unwillkürlich zu sich zieht, dann hat man die Quintessenz. Wenn dies noch nicht erfolgt ist, so wird das Gefäss wieder eingesetzt, und bleibt so lange stehen, bis das erwähnte Zeichen erlangt ist.

          Diese Aqua ardens, Spiritus Vini philosophici, hat grosse Aehnlichkeit mit dem gewöhnlichen Weingeist, und das hat verhindert, ihn zu erkennen, aber er unterscheidet sich davon, dass sich bei fortgesetzter Digestion ein Oel auf der Oberfläche abscheidet, was bei jenem nicht geschieht. Er ist die Basis, der Anfang und das Ende aller Auflösungsmittel der Adepten. Er ist inseiner Einfachheit das schwächste, aber in Verbindung mit andern Stoffen das stärkste Menstruum. Er erscheint in doppelter Gestalt, einmal wie gewöhnlicher Weingeist und mit Wasser mischbar, zweitens als ein obenauf schwimmendes Oel; er ist aber immer derselbe, der Unterschied liegt nur in der Feinheit und Reinheit.

          Die Vorschrift von Lull ist wirklich richtig, sie umfasst aber nur einen Theil des Processes, der durch andere Recepte erläutert wird, die ich aus Weidenfeld zusammenstelle.*

 
p. 128. Coelum vinosum Parisini.

          Nach der Destillation der Aqua ardens und des Phlegma bleibt eine schwarze Masse wie geschmolzen Pech zurück. Diese wird mit dem Phlegma ausgewaschen, mit dem Spiritus gemischt, digerirt und destillirt, was mit frischem Spiritus so oft wiederholt wird, bis der Rückstand trocken ist. Das Destillat heisst Spiritus animatus. Dieser wird in steigenden Portionen auf den Rückstand gegossen und digerirt, bis er ganz eingesogen und der Rückstand weiss ist. Nun wird sublimirt. Der Sublimat ist klar und hell wie ein Diamant. Er wird in`s Wasserbad gesetzt, wo er flüssig wird, dann

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    *Beiläufig sei hier die Erklärung des Wortes Menstruum, was so lange das Bürgerrecht in der Chemie gehabt hat, nach Weidenfeld gegeben. Die Adepten gebrauchten von alter Zeit her zur Verschleierung der Bereitung des Steins der Weisen die Allegorie der Zeugung. So wie der Embryo in der Gebärmutter durch das zurück gehaltene Menstrualblut (Menstruum) ernährt und allmällig zur völligen Reife ausgebildet werde, so bilde das geheime Auflösungsmittel, ähnlich dem Menstrualblute das Mittel zur Ernährung und Ausbildung des chemischen Kindes, des philosophischen Steins; sie nannten des deshalb Menstruum, eine Bezeichnung, die nachher auf alle Auflösungsmittel überging.
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dann das überflüssige Wasser abdestillirt, darauf mit dem ersten Spiritus mit immer frischen Portionen viermal destillirt. Das Destillat wird 60 Tage digerirt. Dass die Arbeit gelungen ist, erkennt man daran, dass sich unten ein Bodensatz, ähnlich dem eines gesunden Urins, gebildet hat. Man trennt davon die Quintessenz, die so klar und hell ist, dass man zweifelhaft bleibt, ob sie im Glase vorhanden ist, und verwahrt sie an einem kalten Orte.

    Etwas abgeändert lautet
pag. 134. Coelum vinosum Lullii.

          Hier wird die Aqua ardens unmittelbar auf den schwarzen Rückstand gegossen, digerirt, die Aqua animata und bei stärkerem Feuer das Oel abdestillirt. Der Rückstand wird calcinirt, bis er weiss ist. Darauf wird er mit der Aqua animata viermal getränkt und sublimirt. Der glänzende Sublimat wird mit der Aqua animata vermischt und einmal destillirt, wobei das Salz mit übergeht. Das Destillat wird 60 Tage in Digestion gestellt und verwandelt sich in die wohlriechende Quintessenz, klar und hell wie ein Stern. Am Boden befindet sich ein Satz wie im Urin eines gesunden Jünglings.

    Eine weitere Aufklärung giebt
p. 138. Sal harmoniacum vegetabile Parisini.

          Der schwarze Rückstand wird mit dem Phlegma ausgzogen, bis er weiss und wie Diamant glänzend ist. Hierauf wird er mit Aqua ardens in gelinder Wärme destillirt, bis die Adern verschwinden, worauf die Vorlage gewechselt und mit stärkerm Feuer das Phlegma abgezogen wird. Der Rückstand wird nochmals mit dem Spiritus ardens destillirt, bis die Adern verschwinden, worauf ein andrer Recipient vorgelegt und mit stärkerm Feuer das Phlegma abdestillirt wird. Der Rückstand wird wieder mit Spiritus ardens wie vorher behandelt, bis er weiss ist und auf einer glühenden Platte nicht raucht. Hierauf wird er wiederholt mit dem Spiritus animatus getränkt, digerirt, und alle Feuchtigkeit abgezogen. Wenn etwas davon auf eine glühende Platte gelegt zum grössern Theile verraucht, so wird er sublimirt. Dies ist das Sal armoniacum Philosophorum.

 
p. 143. Sal harmoniacum vegetabili Lullii, Terra foliata.

          Aus dem Succo Lunariae (Vino philosophico) wird mit dem gelinden Feuer einer einzigen Lampe der Spiritus destillirt, bis Adern kommen. Dies ist das Zeichen, dass er destillirt ist. Nun wird ein andrer Recipient vorgelegt, und das zweite Wasser, was noch etwas Spiritus enthält, so lange destillirt, bis blosses geschmackloses Wasser übergeht. Der schwarze Rückstand soll nun calcinirt werden. Dies kann nicht mit Feuer geschehen, wie die Sophisten glauben, sondern nur durch seinen eignen Spiritus. Er wird desshalb mit dem zweiten Destillat (Aqua ardens mit Phlegma gemischt) übergossen, worin er sich sogleich auflöst. Dann wird über eine Lampe destillirt, bis die Adern kommen, worauf ein andrer Recipient vorgelegt und weiter destillirt wird. Dies wird so oft wiederholt, bis er wie ein schwarzes Pulver ist, oder so lange, bis kein Phlegma mehr übergeht, und das letzte Wasser so kräftig an Geruch und Geschmack ist, wie das erste. Nun wird der Rückstand mit dem vierten Theile Spiritus ardens bei schwacher Wärme so oft behandelt, bis er weiss wie Schnee ist; dann wird er auf den Ofen gebracht, wo sich nach 30 Stunden ein herrliches weisses Pulver, so hell wie Silber, an den Wänden ansetzt. Dies ist Terra nostra foliata.

 
p. 161. Sal harmoniacum Lullii.

          Der schwarze Rückstand wird mit dem Phlegma ausgezogen, und dies so oft wiederholt, bis es sich nicht mehr färbt; nach Verdampfung desselben bleibt ein Oleum vegetabile. Der trockene Rückstand wird mit Spiritus ardens dreimal destillirt. Auf den schwarzen calcinirten Rückstand wird das Oleum vegetabile gegossen, 10 Tage im Aschenbade digerirt, dann der Spiritus animatus aufgegossen, abdestillirt, und darauf das Sal volatile sublimirt.

 
p. 164. Coelum vegetabile circulatum Lullii.

          Man digerirt den Spiritus ardens in einem mit dem Halse nach unten gerichteten Kolben so lange, bis er hell und klar wie ein Oel oben aufschwimmt. Dann öffnet man den Verschluss mit einer Nadel, lässt das Unreine abfliessen, und wendet schnell um. Dies ist der Spiritus ardens circulatus vom lieblichsten Geruch. Der schwarze Rückstand wird mit dem Phlegma extrahirt, calcinirt und mit dem Spiritus ardens circulatus getränkt. Wenn etwas davon auf einer glühenden Platte fast ganz verdampft, so wird das Sal volatile sublimirt, darauf in Spiritus ardens circulatus aufgelöst und digerirt, und so die Quintessenz erhalten.

 
p. 170. Mercurius vegetabilis Lullii.

          Der pechartige Rückstand wird mit dem Phlegma ausgezogen und dies destillirt, so bleibt das Oleum vegetabile zurück. Auf den schwarzen Rückstand wird Spiritus ardens gegossen und destillirt, darauf wird er im Reverberirofen calcinirt, und mit dem Phlegma das Salz ausgezogen. Auf dieses wird Spiritus ardens gegossen und so oft davon abdestillirt, bis er unverändert übergeht. Das so geschärfte Salz wird mit dem Oleum vegetabile digerirt und destillirt.

 
p. 172. Aqua Vitae rectificata Lullii.

           Der erste Spiritus ardens enthält immer noch etwas Wasser, und ein damit getränktes Leinen entzündet sich an der Flamme, verbrennt aber nicht; wenn er aber mehrmals rectificirt ist, so verbrennt das damit getränkte Leinen vollständig. Auf den pechartigen Rückstand wird der Spiritus ardens rectificatus gegossen und destillirt und dann das Oleum vegetabile erhalten. Der schwarze Rückstand wird mit dem letzten Spiritus ardens destillirt, dann in Reverberio calcinirt und mit dem zuletzt gewonnenen Spiritus siebenmal destillirt; dann heisst er Aqua Vitae rectificata.

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Der ganze Prozess ist also folgender:

          Das Vinum rubeum vel album, der geheime philosophische Wein, wird auf gewöhliche Weise destillirt. Der so erhaltene Spiritus enthält noch Wasser, und ein damit getränktes Leinen angezündet brennt, aber verbrennt nicht. Durch wiederholte Rectification wird er so stark, dass ein damit getränktes Leinen angezündet vollständig verbrennt.

          Der Spiritus geht in Adern über, und wenn diese verschwinden, so wird die Vorlage gewechselt und das Phlegma abdestillirt, was in der ersten Destillation noch etwas Spiritus enthält, und zum weitern Verbrauch verwahrt wird.

          Der Spiritus wird in der Wärme des Pferdemistes so lange in Digestion gehalten, bis sich ein höchst wohlriechendes Oel auf die Oberfläche abscheidet, welches die Quintessenz ist. Lull hat sie von himmelblauer Farbe erhalten, andre von gelber.

          Nachdem bei der Destillation der Spiritus und das Phlegma übergegangen sind, bleibt als Rückstand eine schwarze Masse wie geschmolzenes Pech. Diese wird mit dem Phlegma von der ersten Destillation ausgezogen, bis es sich nicht mehr färbt. Die gefärbten Portionen werden vereinigt und abdestillirt, wobei ein Oel zurück bleibt.

          Der so ausgezogene Rückstand wird calcinirt. Damit wird auf verschiedene Art verfahren. Im Recept p. 143 sagt Lull, die Calcination kann nicht mit starkem Feuer bewirkt werden, sondern nur durch den Spiritus ardens; dagegen sagt er p. 170 und 172, dass es im Reverberirofen geschieht.

          Nach den Recepten p. 138 und 168 wird er schon durch die Destillation mit dem Phlegma weiss, aber p. 143 ist er bei derselben Behandlung noch ein schwarzes Pulver, und selbst, nach der Behandlung mit Spiritus ardens p. 161 und 172 ist er noch schwarz.

          Der so vorbereitete Rückstand wird mit Spiritus ardens in abweichenden Verhältnissen so oft digerirt und destillirt, bis er völlig gesättigt und weiss ist, und der Spiritus unverändert übergeht. Das Zeichen ist, dass etwas davon auf eine glühende Platte gelegt, nicht mehr raucht. Nun wird er wieder mit dem Spiritus ardens wiederholt destillirt, bis er so flüchtig geworden ist, dass er auf eine glühende Platte gelegt, ganz oder grösstentheils verdampft.

          Wenn er so weit bereitet ist, so wird er sublimirt. Der Sublimat ist klar und hell wie ein Diamant. Er dient zur Schärfung des Spiritus Vini philsophici, deswegen wird er wiederholt mit dem Spiritus ardens destillirt, wobei das Sal volatile mit übergeht. Das Destillat wird 60 Tage in Digestion gehalten, wodurch es sich in die wohlriechende Quintessenz verwandelt, welche so klar und hell ist, dass man sie kaum unterscheiden kann; dabei erscheint als Zeichen am Boden ein Absatz wie im Urin eines gesunden Jünglings, der abgeschieden wird.

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    Hieran schliesst sich die Bereitung des
Sal Tartari volatile.

          v. Helmont hat den Ruf von der hohen arzeneilichen Kraft des flüchtigen Laugensalzes begründet. Er sagt in dieser Beziehung (pag. 377 der deutschen Ausgabe fol.): Wenn die Unreinigkeiten in den ersten Wegen sitzen, so muss man auflösende Mittel geben, sind sie aber tiefer und hartnäckiger, so muss man die flüchtigen Laugensalze brauchen, die alles abwischen wie eine Seife. Es ist gewiss zu verwundern, wie viel das einzige Weinsteinsalz, wenn es flüchtig gemacht ist, ausrichtet, denn es wischt alle Unreinigkeiten aus den Adern aus.

          (il. p. 1142). Wenn die feuerbeständigen Salze flüchtig gemacht werden, so werden sie an Kräften den grossen Arzeneien ähnlich. Sie gehen bis zum Eingang der vierten Dauung und lösen alle Stockungen auf.

          (il. p. 351). Das erste Stück ist der Alkahest. Wenn ihr diesen nicht erlangen könnt, so lernt wenigstens das Weinsteinsalz flüchtig machen, damit ihr durch dessen Vermittlung eure Auflösungen bereiten könnt.

          (il. p. 329). Das Weinsteinsalz wird ganz und gar flüchtig und steigt in die Höhe, bisweilen flüssig und oft wie ein Sublimat. Dies Salz ist in der Probe bewiesen, wiewohl der Handgriff wenigen bekannt ist.

          De le Boe Sylvius, seiner Zeit der Ruhm der Universität Leyden, der Stifter einer neuen chemisch-medizinischen Schule, die durch die doctrinäre Ausbeutung der Consequenzen des Systems es wieder in Verruf brachte, was unsrer Zeit zur Warnung dienen kann, als Doctor opiatus die Zielscheibe des Spottes seiner Gegner, kannte auch das Sal Tartari volatile. Das fixe Laugensalz, sagt er, p. 850 Opp., kann flüchtig gemacht werden durch Cohobation mit einem flüchtigen Spiritus. Ein solches flüchtiges Laugensalz steigt bei nicht sehr starkem Feuer auf und sublimirt sich. Ein solches flüchtiges Laugensalz ist blos den Künstlern, die Fleiss und Geduld haben, zugestanden, nicht andern, die lange Arbeit fliehen. Ein solches Salz hat grosse Kräfte.

          Das grosse Ansehen Helmonts war eine veführerische Aufforderung zu Versuchen, die aber nicht das lohnende Resultat gewährten, weil sie mit gewöhnlichem Weingeist und nicht mit dem Weingeist der Adepten ausgeführt wurden.

          Der Erfinder dieses Mittels ist Raymund Lull, und Weidenfeld giebt die Vorschrift desselben.

 
p. 84. Sal Tartari volatile Lulli.

          Weinstein wird 3 Tage lang bis zur Weisse calcinirt, dann in dem noch nicht rektificirten Spiritus Vini philosophici aufgelöst, zwei Stunden im Aschenbade erhitzt, und die Auflösung abgegossen. Der Rückstand wird wieder calcinirt, ebenso behandelt und zwar so oft, bis alles aufgelöst ist. Die Auflösungen werden im Wasserbade destillirt und das Destillat aufbewahrt. Der Rückstand wird drei Stunden in`s Aschenbad gesetzt, um alles Phlegma zu entfernen. Hierauf wird der Rückstand mit dem aufbewahrten Wasser übergossen und destillirt. Dies wird so oft wiederholt, bis die ganze Masse in ein Oel verwandelt ist.

          Nun folgt die weitere Behandlung. Man giesst auf dies Oel sechsmal soviel Aqua Vitae rectificata, digerirt einige Tage in balneo und destillirt bei schwachem Feuer im Aschenbade, bis sich keine Aederchen mehr zeigen. So wie die Adern verschwinden, nimmt man den Recipienten mit dem Destillat ab, und verschliesset ihn gut; denn nun kommt der Spiritus animatus, der mit verstärktem Feuer abgezogen wird. Der Rückstand wird zerrieben, mit vier Theilen Aqua Vitae digerirt und destillirt. Von dem Rückstande wird etwas auf eine glühende Platte gelegt, fliesst es wie Wachs ohne Rauch, so ist es ein Zeichen des Erfolgs, geschieht es nicht, so muss die Operation wiederholt werden, bis das Zeichen erscheint.

          Auf diesen Rückstand giesst man 1/4 Spiritus animatus und bringt ihn in`s Balneum zur Congelation, worauf man das Phlegma, welches sich wie blosses Wasser verhält, verdampft. Dann wird 1/4 frischer Spiritus aufgegossen, und dies so oft wiederholt, bis der Rückstand den ganzen Spiritus in sich gesogen hat, und als Zeichen giebt, dass, wenn man etwas auf eine glühende Platte legt, der grössere Theil in Rauch davon geht. Jetzt ist die Masse zur Sublimation geeignet, die mit verstärktem Feuer vorgenommen wird. Der Sublimat dient zur Schärfung des Spiritus Vini philosophici.

          Es ist bekannt, dass das kohlensaure Kali als solches nicht flüchtig werden kann, es folgt daraus, dass das Sal Tartari volatile nicht mehr kohlensaures Kali, sondern ein durch die Behandlung mit dem Spiritus Vini philosophici umgesetztes Kalisalz ist, dessen Zusammensetzung noch zu erforschen bleibt.

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Aufklärung
des
Geheimnisses des Weingeistes der Adepten.

          In der zweiten Abtheilung von den mineralischen Auflösungsmitteln giebt Weidenfeld Andeutungen über das Geheimniss des Spiritus Vini philosophici, die hinlängliches Licht darauf werfen. Aus der Zusammenstellung verschiedener darauf bezüglicher Vorschriften ergiebt sich folgender Inhalt.

          Der unter vielerei Namen verdeckte geheime Stoff zum Stein der Weisen (prima materia Lapidis) wird zur Röthe calcinirt und in destillirten Weinessig aufgelöst. Die Auflösung wird bis zur Dicke eines Gummi verdampft. Aus diesem wird zuerst mit gelinden Feuer ein geschmackloses Wasser destillirt; wenn dann weisse Dämpfe erscheinen, wird ein andrer Recipient vorgelegt, und so die Aqua ardens erhalten. Dies Wasser hat einen höchst scharfen Geschmack und zum Theil auch einen stinkenden Geruch, deswegen heisst es Aqua foetens, Menstruum foetens. Bei fortgesetzter Destillation erscheint bei stärkerem Feuer ein rother Dampf, und zuletzt kommen rothe Tropfen. Dann lässt man das Feuer allmählig abgehen, und verwahrt das Destillat in einem gut verschlossenen Glase, damit der flüchtige Spiritus nicht verschwinde.

          Der Rückstand in der Retorte ist schwarz wie Russ; er wird auf einen Stein gestreut, und an einem Ende mit einer glühenden Kohle angezündet. In der Zeit von einer halben Stunde läuft das Feuer durch den ganzen Rückstand und calcinirt ihn zur gelben Farbe, darauf wird er in destillirten Essig gelöst, bis zum Gummi verdampft und destillirt. Dies wird so oft wiederholt, bis der grösste Theil zum Liquor reducirt ist. Diese Liquore giesst man zum ersten Destillat, digerirt 14 Tage und destillirt. Zuerst geht die Aqua ardens, auf welcher ein weisses Oel schwimmt. Dies Destillat wird siebenmal rektificirt, bis ein damit angefeuchtetes Leinen beim Anzünden verbrennt. Zurück bleibt ein gelbes Oel, was mit stärkerm Feuer destillirt wird.

          Den Sublimat im Halse der Retorten lässt man auf einer eisernen Platte an einer kalten Stelle zerfliessen; zu dem filtrirten Liquor giesst man etwas Aqua ardens, wodurch sich ein grünes Oel auf die Oberfläche abscheidet, was abgenommen wird. Nun wird die Destillation fortgesetzt, zuerst kommt Wasser, dann ein dickes schwarzes Oel. So wie jetzt weisse Dämpfe erscheinen, wird ein andrer Recipient vorgelegt, das weissliche Destillat wird in mässiger Wärme abgezogen, bis eine dicke ölige Masse wie geschmolzenes Pech zurückbleibt.

          Diese schwarze Masse wird noch weiter bis zur völligen Erschöpfung des Rückstandes behandelt, dessen ausführliche Mittheilung nicht nöthig ist.

          Ripley erklärt, dass in dem aus dem genannten Gummi dargestellten Menstruum foetens drei Substanzen enthalten sind:

   1) die Aqua ardens, die angezündet wie gewöhnlicher Weingeist brennt;

   2) ein dickliches weisses Wasser, das Lac virginum der Adepten;

   3) ein rothes Oel, das Blut des grünen Löwen der Adepten.

          Er sagt, dass niemand je davon so offen gesprochen, und fürchtet desshalb den Zorn Gottes und der Adepten. Damit, bemerkt Weidenfeld, hat er ein grosses Geheimniss der Kunst offenbart. Die Adepten haben zwar in ihren praktischen Anweisungen den Gebrauch des Vinum philosophicum offen und unverdeckt gelehrt, aber wie derselbe zu erhalten sei, haben sie verschwiegen. Ripley erklärt zuerst und allein, dass der Schlüssel der ganzen geheimen Chemie darin verborgen liegt; nämlich das Menstruum foetens mit seinem Lac virginis und dem Sanguis Leonis, 14 Tage in gelinder Wärme gehalten, ist das Vinum rubeum et album Lullii, und zur Bekräftigung fügt er hinzu, dass aus diesem Menstruum foetens die Aqua Vitae rectificata Lullii bereitet werde.

          Der Urstoff, die prima materia, wird zur Verhüllung des Geheimnisses mit den verschiedensten Namen benannt. Die Adepten haben theils in Metallen, theils in metallischen Salzen und Erzen gearbeitet. Der Leo viridis heisst so, weil seine Auflösung grün ist; er wird zur Reinigung vorher in Schwefelsäure aufgelöst, und giebt bei der Abdampfung safrangelbe Kristalle. Der vorbereitete Urstoff wird dann zur Röthe calcinirt, wodurch die Säure entfernt wird, worauf er mit destillirten Essig aufgelöst und zum Gummi eingedickt wird, dessen Destillation den Spiritus Vini philosophici giebt.

          Aus den Umständen, dass

   1) der zur Röthe calcinirte Urstoff in Essig aufgelöst wird, wodurch sich ein essigsaures Salz bildet;

   2) der schwarze Rückstand in der Retorte sich anzünden lässt und verglimmt, was die Eigenschaft        der essigsauren Salze ist;

   3) die Destillation einen wie gewöhnlicher Weingeist brennender Spiritus und ein flüchtiges Oel        liefert;

wird es vollständig klar, dass damit nichts anders gelehrt wird als die Bereitung

des Acetons.

          Zur nähern Verständigung wird es angemessen sein, Weidenfeld`s Darstellung der Natur des Spiritus Vini philosophici nach seinen zerstreut mitgetheilten Anmerkungen zu geben.

          Der Spiritus Vini philosophici, Spiritus Vini Lulliani ist die Basis, der Anfang und das Ende aller Auflösungsmittel der geheimen Chemie. Er ist nach den verschiedenen Graden seiner Kräfte das schwächste und das stärkste. Das schwächste ist er, indem er durch seine einfache Fettigkeit (unctuositas) nur die fettigen Theile (partes unctuosas) der Vegetabilien auflöst, und die übrigen unberührt lässt; er wird das stärkste, je mehr und mehr seine Fettigkeit durch Säuren temperirt wird, wodurch er den trocknen fettigen Stoffen und den reinen Säuren homogen wird. Wegen dieser Homogeneität unterscheiden sich die Auflösungsmittel der Adepten von den gemeinen dadurch, dass sie bei den aufgelösten Stoffen bleiben, und mit ihnen in ein Drittes (also eine chemische Verbindung) verwandelt werden.

          Der Spiritus Vini philosophici erscheint in doppelter Form, entweder wie ein Oel, was oben aufschwimmt, oder wie gewöhnlicher Weingeist, sich mit dem Phlegma vermischend, aber durch einfache Destillation davon zu scheiden und rektificirt angezündet verbrennend; es sind aber nicht zwei, sondern nur einer, verschieden durch die Feinheit und Reinheit. Mit dem gemeinen Weingeist kommt er noch darin überein, dass bei der Destillation erst das Phlegma geht, was auf gleiche Weise davon geschieden wird.

          Die Aqua ardens (das erste Destillat) verliert durch Digestion ihre Wässerigkeit und Schärfe, und scheidet endlich ein obenauf schwimmendes Oel ab. Dieses Oel wird durch fortgesetzte Destillation zur Trockne  gebracht, und druch starkes Feuer wie ein flüchtiges Salz sublimirt.

          Der fettige Spiritus Vini philosophici extrahirt nur die fettigen Essenzen der Vegetabilien und scheidet sich durch einfache Destillation in zwei verschiedene Theile, zwei Oele oder Fette, wovon das eine die Essenz, das andere das Corpus ist; durch weitere Digestion mit Spiritus Vini philosophici vereinigen sie sich wieder unzertrennlich, wodurch nicht nur der Spiritus vermehrt, sondern auch wegen der trocknen (urida) Bestandtheile des weniger öligen Corpus zur Auflösung der trocknen Stoffe geschickter gemacht wird.

          Die Bereitung des Spiritus Vini philosophici ist das geheimste, schwerste und gefährlichtste Werk der ganzen geheimen Chemie.

          Die damit bereiteten Menstrua vegetabilia sind süss, ohne alles Corrosiv, und lösen die Stoff gelind auf.

          Das Oleum oder die Essentia Vini kann auf verschiedene Weise aus dem Vino philosophico bereitet werden. Nach Verschiedenheit der Methode ändert sich nicht nur die Zeit der Bereitung, sondern auch der Geruch und die Farbe. Der Geruch ist nur dann so wohlriechend, wenn ein Stoff, besonders ein mineralischer oder metallischer, darin aufgelöst ist.

          Dieses erste aller Auflösungsmittel ist zugleich Arzenei, und heisst Essentia oder Specificum ad vitam longam.

          Nach der Regel der Chemia adepta: Essentia essentiam conficit, werden damit auf einfache leichte Weise Essenzen aus andern Stoffen zum arzeneilichen Gebrauche bereitet und bekommen danach ihre besondere Benennung. Von der Art sind bei Paracelsus Alcool Vini de Pino, de Chelidonia, Essentia Melissae etc.*

          Der Spiritus Vini philosophici hat ohne Schärfung keine auflösende Kraft auf die dürren (arida) Stoffe. Diese Schärfe ist das Geheimniss der Kunst, schwer und mühsam; sie geschieht am besten mit Honig, Zucker, Manna, Salzen der Kräuter und flüchtigen Salzen. Den höchsten Grad der Schärfung und Wirksamkeit erhält er durch Verbindung mit den Säuren und mineralischen Salzen, wodurch die Menstrua mineralia gebildet werden.

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    * Die Beschreibungen bei Paracelsus sind nach seiner Art sehr dunkel und lückenhaft gehalten, werden aber durch Weidenfelds Aufklärung dem Verständniss näher gebracht. So ist die Essentia Melissae de Vita longa C. III. C. 5. Die Melissa wird 40 Tage digerirt, dann werden durch Cohobation die beiden Bestandtheile geschieden, womit die quinta essentia erscheint, welche das Elixir Vitae ist. Nach Abziehung dieses Spiritus und Abscheidung von dem andern, da ist das Vinum salutis da, an welchem die Philosophen Jahrhunderte lang gearbeitet haben, ohne etwas zu erlangen. Ein grosser Theil derjenigen, sagt er spottend, welcher Raymund gefolgt sind, hat manche Fässer Wein verbraucht, um die quinta Essentia Vini heraus zu bringen, aber nichts anderes bekommen als einen Vinum adustum, der fälschlich statt des Spiritus Vini gebraucht worden ist. Dass aber Paracelsus den Spiritus Vini Lulliani gekannt und gebraucht hat, geht aus der gleichen Beschreibung des Spiritus Vini  (de Vita longa, C.III.C.9.) hervor. Der Wein wird zwei Monate in Pferdemist digerirt, dann sieht man, wie eine sehr dünne und reine Schicht, wie ein Fett auf der Oberfläche hervortrirr, welche der Spiritus Vini ist, alles was darunter ist, ist Phlegma. Dieses Fett, allein und für sich digerirt, ist von der höchsten Wirksamkeit zum langen Leben.
Der Spiritus Vini philosophici wird von der Säure mit der grössten Erhitzung aufgelöst, deshalb muss verhütet werden, dass nicht zu viel auf einmal aufgegossen wird, und muss mit der grössten Vorsicht destillirt werden. Die Menstrua werden um so stärker, je öfter sie von der bei der Auflösung geschwächten Säure abgezogen werden; sie werden nostra oder philosophica genannt, so Acetum philosophorum, Aqua fortis nostra, Spiritus Vitrioli, Salis noster etc.

          Die Menstrua mineralia sind von Geruch stinkend, von Geschmack corrosiv, meistens milchig und trübe, und lösen die Stoffe mit der grössten Heftigkeit und Erhitzung auf, weil sie aber gleichwol den Spiritus Vini philosophici zur Basis haben, so sind sie eben so permanent wie dieser, aber nicht sogleich das erste Mal, sondern nach wiederholter Cohobation. Durch fortgesetzte Cohobation werden sie süss, und wenn die Säure entfernt wird, so wird er wieder, was er vorher war, nämlich Spiritus Vini philosophici. Die Säure kann nicht die Natur desselben zerstören, sondern macht nur durch Zerfressung die Theilchen auflöslicher für denselben. Die nicht unmittelbar mit dem Urstoffe des Spiritus Vini philosophici, sondern mit den durch Circulation und Destillation gereinigten Spiritus und Säuren bereiteten Menstrua sind weniger stinkend und milchig, und das so bereitete Acetum philosophicum ist ganz hell.

          Die Menstrua mineralia lösen die Metalle nicht nur auf, sondern machen sie auch flüchtig. Die Adepten bedienten sich ihrer zur Abkürzung ihrer Arbeiten, und Paracelsus hat mit Recht das Monarchat der Arkane an sich genommen, indem er nicht nur die letzte Hand an diese Abkürzungen gelegt, sondern auch diese Menstrua mineralia mit solcher Kunstfertigkeit in den ärztlichen Gebrauch eingeführt hat, dass seinen Schülern kaum eine Hoffnung zur weiteren Verbesserung übrig zu bleiben scheint.

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Aceton.

          Der Weingeist ist chemisch sich immer gleich, aber technisch und physiologisch verschieden nach seiner Bereitung aus Korn, Reis, Kartoffeln, Wein etc.; eben so verhält es sich mit dem Aceton nach der verschiedenen Basis der essigsauren Salze, wesshalb ich die Beschreibung derselben einzeln folgen lasse.

 
1. Aceton aus Zink. (Respur vom Mineralgeiste p. 116).

          Zinkblumen wurden in destillirtem Weinessig aufgelöst, filtrirt und bis zur Oelconsistenz abgedampft; vom Feuer abgenommen, gerann die Masse in ein Salz. Es wurde in eine grosse gläserne Retorte gethan und destillirt. Zuerst floss es, dann fing es an wie ein gemeiner Weingeist in zarten Aederchen, doch unschmackhaft, überzugehen, hernach kam ein dickes und röthliches Wasser. Hierauf blähte sich bei stärkerm Feuer die ganze Masse auf, und es erhob sich daraus ein Geist wie Schnee, der sich in grosser Menge Daumenstark anlegte, und seiner Menge wegen theilweise herunterfiel. Das was durch das Papier, womit die Vorlage verwahrt war, hindurch drang, gab einen so guten Geruch, wie Bernhard von Trevis in seinem ausgelassenen Worte schreibt*, dass ich mich mit ihm darüber verwunderte. Nachdem alles erkaltet war, fand sich rings umher ein zarter Körper von silberweissem Glanze und schöner als die orientalischen Perlen; er liess sich mit den Fingern fassen und war von Geruch wie Campher.

          Glauber (Furn. phil. 2 Th. p. 99) hat auch das essigsaure Zink, mit Sand vermischt, destillirt, bemerkt aber nur, dass erst ein geschmackloses Pflegma, dann ein subtiler Spiritus und endlich ein gelbes und rothes Oel übergeht.

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    *Ausgelassenes Wort, Verbum dimissum, nämlich die von den Adepten ausgelassene Bezeichnung ihres geheimen Stoffs, der darin auch nicht genannt wird, deshalb ist es bemerkenswerth, dass Respur offen das Zink nennt, und damit ist auch die geheimnissvolle Fontina Bernhardi, sein Auflösungsmittel, erklärt.
2) Aceton aus essigsaurem Blei.

          Die Adepten haben viel in Blei gearbeitet, und Basilius Valentinus sagt, der Stein der Weisen hat seinen Anfang allein aus dem Blei; zugleich bemerkt er, dass aus dem Bleizucker ein rothes Oel bereitet wird, ohne aber weitere Anleitung zu geben.

          Die erste deutliche Vorschrift findet sich bei Quercetanus (Pharmacopoea p. 553). Bei der Beschreibung des Weingeistes der Adepten ist das werthvolle, dass er zum ersten Mal bestimmt das Blei nennt, während die Adepten die Basis immer in Dunkel gehüllt haben. Der Bleizucker giebt bei der Destillation ein höchst brennendes Wasser, was stärker schmeckt als Weingeist. Der Recipient füllt sich mit weissen Dämpfen, bis endlich ein Oel so roth wie Blut folgt.

          Aus diesem Liquor ardens, der schneller wie Weingeist sich entzündet, kann mit langsamen Feuer ein noch mehr ätherischer Geist abgeschieden werden. Der schwarze Rückstand wird calcinirt, das Salz daraus gezogen und krystallisirt. Dann wird es mit dem ätherischen Geiste so weit getränkt, dass es auf eine glühende Platte geworfen in Rauch davon geht. Durch Sublimation desselben erlangt man die Terra foliata Philosophorum, welche an Glanz die orientalischen Perlen übertrifft.

          Wenn dieser Terra foliata das rothe Oel zugesetzt und durch wiederholte Cohobation und Destillation damit vereinigt wird, so entsteht daraus das wahre Auflösungsmittel der Natur und die Quintessenz von wunderbarer Kraft, die wahre und lebendige Quelle, worin Vulkan den Phöbus (das Gold) abwäscht, von allen Unreinigkeiten säubert und das Mittel schafft, welches die Lebenskraft stärkt, alle Schwäche bessert und die Jugendkraft erneut.

 
Oleum Saturni Lullii.
(Vigenere Abhandl. vom Feuer und Salz. p. 146)

          Silberglätte wird mit destillirtem Essig gekocht, und die Auflösung abgedampft. Mit dem erhaltenen Salze wird eine Retorte zur Hälfte gefüllt, und die überflüssige Feuchtigkeit mit schwachem Feuer ausgetrieben. Sobald weisse Dämpfe kommen, legt man einen grossen Recipienten vor, und verstärkt das Feuer nach und nach, so wird ein kleiner Strom, gleich einem Oelfaden weiss wie Milch aufsteigen, welher sich in der Vorlage in ein hyacinthfarbiges Oel auflöst, an Geruch gleich dem Spiköl. Diess ist das so sehr geheime Oel, von welchem Raymund Lullius nichts weiter gesagt hat, als: Ex plumbo nigro extrahitur Oleum Philsophorum aurei coloris vel quasi, et scias, quod in mundo nihil secretius eo est.

          Auf den Rückstand in der Retore kann man glühende Kohlen legen, und er wird Feuer fangen wie Zunder. Man kann ihn aufs neue wieder in Essig auflösen, und wie vorgemeldet damit verfahren.

          Man nehme also dieses Oel, welches Raymund Lullius seinen Wein nennt, und bringe es in einem kleinen Kolben auf ein Marienbad, so wird der Geist in kleinen Fäden aufsteigen gleich dem Weingeist. Man destillirt so lange, bis grosse Tropfen im Helme erscheinen, welche anzeigen, dass das übrige blosses Pflegma ist. Man entfernt diess, so bleibt unten am Boden ein kostbares Oel liegen, welches das Gold auflöst, und in allen innerlichen und äusserlichen Wunden ganz vortrefflich ist, ja es ist sogar ein trinkbares Gold. Daher sagt Ripläus (p. 89 der Vorrede zu seinen zwölf Pforten): ein goldfarbiges Oel wird aus unserm subtilen rothen Blei ausgezogen, wovon Raymund sagt, dass es viel köstlicher sei als Gold, denn als er vor Alter sich dem Tode nahete, bereitete er daraus das Aurum potabile, so ihn wieder neu belebte.

          Das brennende Wasser, was mit übergeht, ist weit entzündbarer als das Schiesspulver und löst das Silber zu feinen Eiskrystallen auf, welche sich bei einem Lampenfeuer schmelzen lassen, und gleich dem Silber alle Proben aushalten.

 
Aqua Paradisi Isaaci Hollandi.
Opus Saturni C. 12

          Vollständig gereinigter Bleizucker wird zuerst mit gelindem dann stärkerm Feuer destillirt, bis die Materie so roth wie Blut und dick wie Oel übergeht, süss wie Zucker mit einem himmlischen Geruche. Der Rückstand wird mit destillirtem Essig behandelt und eben so destillirt und diess wiederholt, bis alles zu einem rothen Oele destillirt ist.

 
Spiritus ardens Saturni.
(Beguini Tyrocyn. chem. 1616. C. 4. p. 139).

          Man hält den Bleizucker einen Monat in gelindem Feuer, dass er immer in Fluss ist, worauf er aus einer gut lutirten Retorte destillirt wird. Der Geruch ist so wohlriechend, dass er das ganze Zimmer erfüllt und übertrifft den Wohlgeruch aller Vegetabilien. In dem Destillat schwimmt ein gelbes Oel oben auf, und ein blutrothes Oel setzt sich zu Boden. Durch wiederholte Destillation scheidet man das Pflegma ab, und bewahrt den sehr wohlriechenden Spiritus.

 
Spiritus Saturni.
(Agrikol. Anmerkung. zu Popp`s chem. Arz. T. 1 pag. 222).

          Bleizucker wird mit gutem Spiritus Vini vier Wochen im Dampfbade digerirt, dann zieht man den Spiritus ab, und es bleibt ein schöner dicker Liquor zurück. Dieser wird mit reinem Sand vermischt und per gradus aus einer Retorte destillirt, wodurch man einen schönen weissen Spiritus und ein schönes gelbes und rothes Oel erhält. Der Spiritus und das Oel müssen zusammen aus einer Glasretorte im Dampfbade rektificirt werden. Erst geht der Spiritus tropfenweise, und man sieht keine Adern oder Streifen, dann kommt ein gelbes Oel; da muss man einen andern Recipienten vorlegen und gut lutieren, sonst geht der feine spiritualische Geruch, lieblicher als Ambra und Moschus, verloren. Ist das gelbe Oel überdestillirt, so kommt das Phlegma in vielen schneeweisen Striemen, dann muss man einen andern Recipienten vorlegen und alles Phlegma übertreiben. Zuletzt kommt ein schönes rothes Oel, wobei stärkeres Feuer gegeben werden muss, denn es ist schwer und steigt nicht so gern.

 
Quinta Essentia Saturni.
(Agrikola I. pag. 242.)

          Die Behandlung ist dieselbe wie vorher. Der Spiritus und das Oel werden für sich noch einmal rektificirt.

          Der schwarze Rückstand in der Retorte wird mit starkem Feuer calcinirt, bis er schneeweiss ist, dann mit destillirtem Essig aufgelöst und krystallisirt. Diess Salz wird mit dem vorigen rektificirten Spiritus acht Tage lang im Dampfbade in Digestion gehalten und dann destillirt, wobei das Salz zum meisten Theile in die Höhe steigt. Das Destillat wird auf den Rückstand zurückgegossen, wieder digerirt und destillirt, und diess so oft wiederholt, bis das ganze Sal volatile in Gestalt eines Spiritus herübergestiegen ist. Nun setzt man das rektificirte rothe Oel hinzu, wodurch sich beide unscheidbar vermischen, und eine überaus köstliche Arzenei geben.

 
Rothes Oel aus Blei.
(Experimentirte Kunststücke. 1789. Th. 1. pag. 150).

          Bleizucker wird aus einer Glasretorte, die aber nur bis zum vierten Theil angefüllt wird, in der Sandkapelle destillirt. Zuerst erhält man einen sehr sauren Spiritus; wenn dieser vorbei ist, wechselt man die Vorlage und verstärkt das Feuer. Dann kommen braune stinkende Tropfen, die müssen auch vorbei, und diese gehen so lange, bis alle Feuchtigkeit herausgetrieben ist. Während dem wird sich die Masse in der Retorte ziemlich in die Höhe begeben und ganz schwarz geblättert aussehen wie ein hohles Wespennest. Nun stärkt man das Feuer, dann erscheinen rubinrohte, wohlriechende süsse Tropfen. Beim ersten Versuche war die Retorte gesprungen, wodurch sehr wenig von diesen Tropfen erhalten wurde, dagegen aber der schöne balsamische Geruch das Haus und die ganze Strasse erfüllte.

 
Spiritus Aceti ardens.
(Charas Pharmacop. royale. pag. 775.)

          Man destillirt Bleizucker mit anfangs schwachen, gegen das Ende aber sehr starken Feuer. Das Destillat wird mit gelindem Feuer rektificirt, so geht erst der brennende Geist über, dann folgt das Phlegma, und zurück bleibt eine purpurrothe Flüssigkeit, die man sehr uneigentlich Oleum Saturni nennt, und keine sehr starke Säure hat.

          Die Destillation des essigsauren Bleis verschwindet nach gerade ganz aus der Chemie, bis in neuerer Zeit Chenevix sie wieder aufgenommen, und durch seinen Esprit pyroacetique die Veranlassung zur weiteren Untersuchung des Acetons gegeben hat. Man hat hauptsächlich das Aceton selbst erforscht, und den übrigen Produkten weniger Beachtung zugetheilt als die ältere Chemie, die mit grösster Vorsicht, Geduld und Ausdauer ihre Arbeiten ausführte, wesshalb auch Weidenfeld die Bereitung des Spiritus Vini Lulliani das opus difficillimum nennt.

 
3) Aceton aus Kupfer.
Spiritus Aeruginis. (Basil. Valentui. p. 834.)

Reiner krystallisirter Grünspan wird calcinirt, bis er beginnt röthlich zu werden. Dann nimmt man auf 2 Theile desselben 1 Theil Kiesel, die in Essig wiederholt abgelöscht sind, reibt es zusammen, füllt es in eine beschlagene Glasretorte, legt eine grosse gut lutirte Vorlage vor, feuert mässig einen ganzen Tag und eine Nacht, und stärkt dann das Feuer Tag und Nacht, so kommen eerst grüne weisse Spiritus und nach grossem Anhalten des Feuers mitunter rothe Tropfen. Das Feuer wird so lange mit Gewalt unterhalten, bis alles übergestiegen ist. Das Destillat wird im Wasserbade gelinde rektificirt, so geht das Phlegma fort, und ein schweres rothes Oel bleibt am Boden.

 
Spiritus Aeruginis.
(Zwelfer Appendix ad Animadvers. ad Pharmacop. 1685. p. 51.)

          Ueber krystallisirten Grünspan sird Spiritus Vini rectificatus 2 - 3 mal destillirt; dann werden die Krystalle aus einer beschlagenen Retorte in offenem aber gelindem Feuer destillirt, bis aller Spiritus übergegangen ist, der dann rektificirt wird.

          Zwelfer machte diesen Spiritus aus Gewissensdrang als ein grosses Geheimniss bekannt, und rühmte seine chemischen und medicinischen Kräfte. Ers stellte ihn dem Liquor Alcahest gleich, indem er die Stoffe gelinde auflöse, und fast mit derselben Stärke wieder davon abgezogen werden könne, namentlich empfahl er ihn zur Auflösung der Perlen, Korallen und Krebsaugen und zur Bereitung der Tinctura ex Vitro Antimonii und Tinctura Martis adstringens. Es entspann sich darüber ein lebhafter mit lateinischen Grobheiten reichlich ausgestatteter Streit mit Otto Tachenius, welcher behauptete, der Spiritus Aeruginis sei weiter nichts als ein destillirter Essig, und Basilius Valentiunus habe ihn schon beschrieben. Auch Boerhave erklärte ihn für Essigsäure, aber für die stärkste, die aus dem Essig erhalten werden kann.

          Die Untersuchung von Chenevix hat die Sache entschieden; der Spiritus Aerouginis ist keine reine Essigsäure, sondern enthält O,17 dem Volumen nach brenzlichen Essiggeist, wodurch Zwelfer gerechtfertigt wird. Die beiden Derosnes destillirten das essigsaure Kupfer in vier Abtheilungen. Der erste Antheil war etwas gefärbt und hatte einen schwachen Geruch, der zweite hatte einen stärkeren Geruch und dunkle Farbe, der dritte war noch dunklerer mit stärkerm Geruch nach brenzlichen Essiggeist, der vierte war schwach gelblich, und enthielt eine ziemlich grosse Menge brenzlichen Essiggeist. (Thenards Chemie von Fechner. IV. 1. p. 151.)

 
4) Aceton aus Eisen.
(Agrikola I. p. 418.)

          Der schwarzgelbe Rückstand von der Destillation des Eisenvitriols wird wiederholt mit destillirtem Essig extrahirt. Die Auflösungen werden abgedampft bis auf einen grünen Liquor. Dieser wird mit calcinirten Kieseln gemischt und destillirt. Das Destillat wird einige Zeit digerirt, dann wird das Phlegma gelinde abgezogen, und der Rückstand zweimal aus dem Sandbade rektificirt, so bekömmt man ein schönes süsses Oel. Nach Chenevix enthält deas Destillat von essigsaurem Eisen O,24 brenzlichen Essiggeist dem Volumen nach.

 
5) Aceton aus Spiessglanz.
Tinctura et Oleum Antimonii Rogerii Baconis. (Deutsches Theatrum chemic. III. p. 207)

          Fein gepulvertes Spiessglanzerz wird einzeln in Salpeter-Salzsäure eingetragen. So wie die Auflösung geschehen ist, schlägt man es sogleich nieder und wäscht den Niederschlag aus. Dieser wird mit destillirtem Essig 40 Tage lang im Wasserbade digerirt, wobei er sich bluroth färbt. Man giesst das Klare ab und frischen Essig auf, und lässt es wieder 40 Tage digeriren. Diess muss viermal geschehen. Der Rückstand wird weggeworfen.

          Die Auflösungen giebt man zusammen in einen Kolben, destillirt den Essig davon und giesst ihn wieder, oder, wenn er zu schwach ist, frischen auf, und destillirt ihn nach der Auflösung wieder ab. Der Rückstand wird mit süssem Wasser ausgewaschen, bis alle Schärfe weg ist. Die Materie, welche hochroth ist, trocknet man an der Sonne oder bei schwachem Feuer.

          Auf dies rothe Pulver giesst man einen gut rektificirten Spiritus Vini, und lässt es 4 Tage im Wasserbade stehen, damit es sich vollständig auflöse. Die Auflösung bringt man in ein Kolbenglas mit einem Helm in`s Wasserbad, legt einen Recipienten vor, destillirt bei gelinder Wärme den Spiritus herüber, giesst ihn wieder zurück, destillirt abermals, und wiederholt diess so oft, bis der Spiritus in mancherlei Farben über den Helm steigt. Dann ist es Zeit starkes Feuer zu geben, so wird der Spiritus roth in den Helm steigen und als ein blutrothes Oel in die Vorlage tröpfeln. Dies ist der geheimste Weg der Weisen zur Destillation des sehr hoch gerühmten Oels des Antimonii, und es ist ein edles, kräftiges, wohlriechendes und grosse Gewalt habendes Oel.

          Das Destillat, die Mischung aus Weingeist und Oel, wird in einem Kolben mit einem Helm gegeben, und im Wasserbade aller Spiritus vollständig abdestillirt, was daran erkannt wird, dass nun einige Tropfen Oel mit übersteigen. Der Spiritus wird gut verwahrt, denn er hat noch grosse Kraft von dem in ihm aufgelösten Oel.

          Im Kolben findet sich das blutrothe Oel, welches bei Nacht wie eine glühende Kohle leuchtet; es dient zur alchemistischen Verbesserung der Metalle.

          Der Weingeist, die Tinctura Antimonii ist ein höchst wirksames Arzneimittel. Beim Podagra 3 Tropfen in Wein nüchtern genommen legen sich die Schmerzen, den andern Tag folgt ein zäher, dicker, übelriechender saurer Schweiss, besonders in den Gelenken, und den dritten Tag, auch ohne Arzenei, eine beschwerdelose Abführung. Ebenso hilfreich ist es bei andern schweren Krankheiten.

 
Quinta Essentia s. Oleum Antimonii Basil. Valent.
(Triumphwagen des Antimons von Kerkring. p. 147.)

          Vitrum Antimonii auf`s feinste gepulvert, wird mit destillirtem Essig übergossen, und unter häufigem Umrühren, sonst setzt es sich zusammen, in gelinder Wärme digerirt, bis der Essig schön hochgelb gefärbt ist. Dies wird so oft wiederholt, bis sich kein Essig mehr färbt. Die Auflösungen werden filtrirt, der Essig im Wasserbade abdestillirt bis fast zur Trockne. Dabei muss mit der grössten Behutsamkeit verfahren werden, zu starke Hitze verdirbt das Präparat. Das rothgelbe Pulver muss zuletzt an der Sonne oder in gelinder Wärme getrocknet werden. Das Pulver wird wiederholt ausgewaschen, so dass alle Säure wegkommt. Dann wird es in einem angewärmten Glase klein gerieben, mit höchst rektificirten Weingeist drei Finger hoch übergossen und digerirt, so zieht sich eine hochrothe Tinktur aus. Diese wird 1 Monat digerirt, und dann mit einem besonderen Handgriff (nach dem Microscop. Basil. Valent. p. 109 durch Vermischung mit Terra sigillata) überdestillirt. Es ist eine liebliche süsse Arzenei, in Form eines schönen rothen Oels, welches die Quinta Essentia Antimonii ist.

 
6) Aceton aus essigsaurem Kali.
(Agricola II. p. 15.)

          Gesättigte essigsaure Kaliflüssigkeit wird mit Töpferthon zu Kugeln geknetet; diese werden an der Luft getrocknet, und dann aus einer Retorte destillirt.Es wird ein starker aber sehr wohlriechender Spiritus herübersteigen, weiss wie Molke, und sich überall an den Seiten des Recipienten wie ein flüchtiges Salz anlegen. Man lässt es 24 Stunden stehen, so löst es sich in ein schönes gelbes durchsichtiges Oel auf.

          Pott (Exercit. chym. de Terra foliat. Tart. p. 152.) erwähnt, dass, als er 1 Theil essigsaures Kali mit 6 Theilen Essig 3 mal und zum 4ten male stark abzog, die Hälfte des Salzes mit übergegangen und flüchtig gemacht worden war.

 
7) Aceton aus essigsaurem Natron.

          Auf meine Veranlassung übernahm im Jahre 1840 der Apotheker Klauer die Darstellung desselben, und gab darüber folgenden Bericht.

          Vier Pfund essigsaures Natron gaben 20 Unzen Destillat. Die Destillation aus dem Sandbade war in drei Tagen beendigt. Das Destillat wurde im Wasserbade destillirt; was zuerst übergeht, ist Aceton mit etwas Wasser, indem das Aceton schon bei 55° übergeht. Die fernere Destillation giebt Wasser, Essigsäure und etwas Oel (Metaceton). Der Rückstand ist ein dunkelbraunes Oel von dicklicher Consistenz, was sich im Aceton sehr leicht auflöst.

          Um das Aceton wasserfrei zu erhalten, wurde es über Chlorcalcium rektificirt. 6 1/2 Unzen wasserhaltiges Aceton, aus 4 Pfund essigsaurem Natron erhalten, lieferten 4 1/2 Unzen wasserfreies Aceton mit folgenden Eigenschaften:

     1) farblose dünne Flüssigkeit von feinem durchdringendem Geruch, ohngefähr ähnelnd dem      Essigäther und von brennendem Geschmack,

     2) mit Weingeist und Aether in allen Verhältnissen mischbar,

     3) specifisches Gewicht 0,798,

     4) leicht entzündlich, brennt mit einer stark leuchtenden wenig russenden Flamme ohne      Rückstand.

     Das Aceton gab folgende Niederschläge:
     1) mit salpetersaurem Quecksilberoxyd - gelb u. copiös,

     2) mit salpetersaurem Quecksilberoxydul - schwarz,

     3) mit schwefelsaurem Kupfer - blau,

     4) mit essigsaurem Kupfer - blau,

     5) mit schwefelsaurem Eisenoxydul - grünlich, später gelb werdend,

     6) mit schwefelsaurem Manganoxydul - röthlich,

     7) mit essigsaurem Manganoxydul - röthlich,

     8) mit Chlorgold - Abscheidung von metallischen Gold,

     9) mit Chloreisen - eine gelatinöse Masse,

    10) mit Quecksilberchlorid - eine gelatinöse Masse.

    Das Aceton mit den beiden Oelen vereinigt, wurde mit der Bezeichnung Spiritus Aceti oleosus von mir als Arzneimittel verschrieben.

8) Aceton aus essigsaurem Kalk.
(Poterii Opp. p. 612.)

          Die Korallen werden in destillirtem Essig aufgelöst, die Auflösung wird abgedampft und das trockene Salz in eine beschlagene Retorte gegeben. Mit schwachem Feuer wird erst das Phlegma entfernt, dann bei verändertem Recipienten der Spiritus mit einer geringen Menge eines rothen Oels, beide sehr wohlriechend und höchst roth, destillirt.

          Quercetanus erhielt aus ein Pfund des Korallensalzes 6 Unzen Spiritus.

          Bei einem 1841 hier angestellten Versuche, Aceton aus essigsaurem Kalk zu bereiten, wurde ein Präparat erhalten, welches sich anders wie das aus essigsaurem Natron verhielt. Es roch nicht so gewürzhaft, sondern ähnlich dem Holzessig, der Geschmack war nicht so fein, das empyreumatische Oel schmeckte brandig und roch stärker; es wurde deshalb nicht zum arzeneilichen Gebrauche angewandt.

          Ueber das chemische Verhalten des Acetons habe ich folgende Beobachtung gemacht. Im November 1861 fand ich in der Apotheke noch einen Rest aus früherer Zeit von Spiritus Aceti oleosus von einigen Unzen. Er war gelblich gefärbt, und hatte seinen vollen Geruch. Eine Probe davon mit Schwefelsäure versetzt, wurde sogleich dunkelroth, während bei reinem Aceton aus einer chemischen Fabrik die Färbung viel später eintrat. Ich setzte das mit einem geriebenen Glasstöpsel versehene Glas auf den Hinterofen. Nach 14 Tagen war ein Theil verdunstet, und hatte sich ein rubinrothes Oel auf die Oberfläche abgeschieden. Der Geruch desselben war wie Aceton, der Geschmack bitter und lange anhaltend; es färbte Lakmuspapier zinnoberroth, während reines Aceton nach einigen Minuten nur eine schwach saure Reaction zeigte.

          Ich liess eine halbe Unze reines Aceton zusetzen, wodurch das Oel sich sogleich auflöste. Ich setzte das Glas, noch mit Gyps verwahrt, wieder auf den Hinterofen. Nach einiger Zeit hatte sich unter Lockerung des Gypses und theilweiser Verflüchtigung der Flüssigkeit das rubinrothe Oel wieder gebildet, und hat sich, vom Ofen weggesetzt, seitdem erhalten. Beim Vermischen einiger Tropfen mit Wasser, scheidet es sich schnell aus, und setzt sich zu Boden, doch ist der Geschmack des Wassers bitter wie das Oel und der Geruch wie Aceton.

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Medizinische Anwendung des Acetons.

          Ich übergebe die allgemein gehaltenen Anpreisungen gegen eine grosse Zahl von Krankheiten in den alchemistischen Schriften, und beschränke mich, mit Ausnahme der Beobachtung von Kerkring, auf die Versuche von Agricola; der specieller darüber gehandelt hat.

 
Quinta Essentia Oleum Antimonii Basilia.
(Kerkring Triumpfwagen Antimonii p. 153.)

          Eine Weibsperson von 21 Jahren war von der Wassersucht entsetzlich dick aufgeschwollen. Sie erhielt diese Arzenei zweimal täglich. Nach 20 Tagen hatte sie so geschwitzt, dass der Leib eine halbe Elle eingesessen war. Sie liess in dieser Zeit nicht wenig Urin, der Schweiss war recht wunderbar. Das Mittel wirkt nicht wie andre Diaphoretica, dass gleich die erste Dosis Schweiss bewirkt, sondern den ersten Tag öffnet es nur gelinde die Haut, den zweiten Tag macht es gelinden, den dritten Tag ziemlichen Schweiss; allein den vierten und die folgenden Tage schwimmt man gleichsam im Wasser, so dass endlich der Schweiss durch das Bett auf den Boden abtropft. Allhier, sagt Kerkring, ist ein verständiger Medicus vonnöthen, denn die Keule des Herkules wird nicht viel nutzen, wo sie nicht auch in der Hand eines Hekules ist.

 
Aceton aus Eisen.
(Agricola I. p. 425.)

          1. Lungengeschwüre. Man bereitet einen Lecksaft von 2 Drachmen au 10 Unzen Syrup; davon lässt man oft eine Haselnuss gross auf die Zunge nehmen. Es mildert den Husten, befördert den Auswurf und macht leichten Athem.

          Ein Mann von 36 Jahren litt nach starken Erkältungen an grosser Brustbeklemmung mit Erstickungsgefahr. Er hatte schone viele ärtzliche Hilfe gebraucht ohne Besserung. Auf den Brustsaft ging gewaltig viel Eiter fort; er brauchte ihn einen Monat, und wurde ganz gesund.

          Ein Mädchen von 6 Jahren hatte seit zwei Jahren heftigen Husten, dann Blut und Eiter ausgeworfen, und war ganz abgezehrt. Sie nahm das Mittel nur 3mal täglich, und war in zwei Monaten ganz hergestellt.

          2. Gegen giftige Stiche. Ein Hirtenjunge bekam im Schlafe einen Stick in den linken Schenkel. Die Stelle war braun im Umfange eines Dreiers und machte grosse Schmerzen. Am folgenden Tage war der Schenkel braun und geschwollen. Das Aceton wurde warm aufgelegt, und nach zwei Stunden waren Geschwulst und Schmerz gelinder; es wurde frisch aufgelegt, und nach weiteren zwei Stunden waren Schmerz und Geschwulst ganz verschwunden, und der Junge konnte wieder gehen.

          3. Beim Panaritium übergeschlagen verliert sich der Schmerz in einer Stunde und das Geschwür geht bald auf.

          Agricola selbst bekam auf der Reise eine Entzündungsgeschwulst, s.g. Achselgeschmeiss, zwischen zwei Fingern mit grossen Schmerzen; verschiedene Mittel brachten keine Linderung. Als er nach Hause kam, schlug er das Aceton über, der Schmerz verlor sich, so dass er wieder schlafen konnte, und nach einigen Tagen brach das Geschwür auf und heilte schnell.

 
Aceton aus Blei, Spiritus Saturni.
(ib. I. p. 239.)

          1. Gegen Milzstechen mit Aufblähung 6 Tropfen in Extr. Filicis.

          2. Entzündung der Nieren, wobei das Fett zerschmilzt und Abzehrung erfolgt. Bei einem Bauer war der Harn stets fett, als wenn zerlassene Butter darauf gegossen wäre; dabei hatte er grosse Hitze im Rücken und nahm an Kräften und am Leibe ab, besoners schwand ihm das Fleisch an den Hüften, dabei beständig fieberhaft. Diese Beschwerden hatte er schon ein viertel Jahr. Er bekam Abends 3 Tropfen Spiritus Saturni in Aqua Plantaginis; nach vier Gaben war er hergestellt.

          3. Gonorrhoea virulenta. Ein Vornehmer von Adel litt seit graumer Zeit daran mit einer unertrüglichen Hitze, so dass er glaubte, es bleibe nichts anders übrig als Abscissio membri. Es wurde Spiritus Saturni mit Aqua Sambuci übergeschlagen, was die Hitze bald heraus zog; zugleich wurden noch Einspritzungen damit gemacht, und in 3 Tagen war er geheilt.

          4. Gegen Panaritien aufgelegt, hilft er schnell.

 
Aceton aus essigsaurem Kali.
(ib. II p. 15.)
      1 Theil Aceton,

      2    "    Spiritus Vini

      1/2 "    Ol. Vitrioli

werden sechs Wochen digerirt, so wird es lieblich und eine köstliche Arzenei in vielen Krankheiten.

          1. Es ist eine gewaltige Magenstärkung, 12 Tropfen in den ersten Löffel Suppe. Der Magen sei verschleimt wie er wolle, so zertheilt es den Schleim und führt ihn aus ohne alle anern Arzeneien.

          2. Die Magenfieber nimmt es von Grund weg, wenn vorher eine gelinde Abführung gebraucht ist, besonders wenn den Kranken nicht recht friert und nicht recht heiss ist. Diese Fieber währen meistens sehr lange, und sind wegen des zähen Schleims im Magen schwer zu vertreiben; der Schleim erregt auch oft beständiges Kopfweh.

          3. Gegen den Stein. Ein Prediger litt an heftigen Steinbeschwerden, alle Arzeneien vermehrten die Schmerzen, weshalb er keine mehr nehmen wollte. Agricola sagte ihm, diese Arzenei treibe nicht den Stein, sondern eröffne nur die Gänge und zerschmelze gleichsam den Stein in den Nieren, dass er ohne Beschwerde fortgehe. Er nahm alle Tage 10 Tropfen in einem Löffel Suppe, und als er es einen Monat bebraucht hatte, waren alle Schmerzen weg, und der Urin ging ganz dick und trübe mit ziegelrothem Absatze.

          4. In den hitzigen pestilentialischen Fiebern ist es ein gewaltig treibendes Mittel und widersteht dem Gifte; denn es treibt den Schweiss mit Gewalt, wenn man Scrup.1/2 -1 in Aqua oder Aceto theriacali giebt. Man setzt auch wol 1-3 Tropfen Essentia Croci zu, damit das Herz von dem Gifte nicht überwältigt werde. Sonderlich ist es wegen seines lieblichen Geruchs und Geschmacks eine feine Arzenei für Kinder.

          5. Gegen das anfangende oder nicht zu alte Podagra, alle Tage 15 Tropfen in Aqua Ivae artheticae. Es sucht den Stoff auf und erregt Schmerz an der Stelle, dann muss man diese zugleich äusserlich damit bestreichen.

          6. Bei Schmerzen in hohlen Zähnen nimmt man Scrup. 1, in warmen Essig in den Mund, und die Schmerzen werden schnell gestillt.

Tinctura Antimonii Thedenii.
(Bemerkungen und Erfahrungen zur Bereicherung der Wund-Arzneikunst und Arzneigelehrtheit. 1782. Th. II. p. 84.)

          Theden bereitete seine Tinktur nach Anleitung einer alchemistischen Schrift auf folgende Weise: Zwei Pfund Spiessglanz wurden mit sechs Pfund Kali zu einer Leber zusammengescholzen, und mit concentrirten Weinessig, wovon 13 Berliner Quart nöthig waren, gesättigt. Die Masse wurde zur Trockne abgedampft, mit Alcool Vini versetzt und im Wasserbade destillirt. Der übergegangene Weingeist wurde auf die Masse zurückgegossen, von neuem abgezogen, und dies mit Ersetzung des verloren gegangenen dreissig Mal wiederholt. Es waren 16 Quart Alcool darauf gegangen, und wurden kaum 2 Pfund Tinktur erhalten. Diese wurde drei Monate lang im Aschenbade, den ersten Monat mit einem, den zweiten mit zwei und den dritten mit drei Lampenfeuern digerirt, wonach noch ein Pfund übrig blieb.

          Er gab diese Arznei bei Drüsenverstopfungen sowol an äussern als in innern Theilen, und die Wirkung übertraf seine Erwartung. Täglich zu 8 bis 10 Tropfen genommen, bewirkte sie Schweiss, stärkern Abgang des Urins und bei Vergrösserung der Dosis weichen Stuhlgang auch wol ein gelindes Laxiren. Sie nahm gichtische Schmerzen hinweg, und leistete bei verstopften Eingeweiden die besten Dienste, was sie aber besonders schätzbar machte, war, dass sie beim verborgenen Krebse in drei Fällen gänzliche Zertheilung zu Stande brachte, und in zwei andern guten Erfolg hoffen liess.

          Im 3. Theile p. 269 ist die Beobachtung der Dr. Walter in Liefland mitgetheilt, wonach alte Verhärtungen in beiden Brüsten, welche ursprünglich von verhärteter Milch entstanden waren, mit der Tinktur vollständig geheilt werden.

          Der berühmte Wichmann schätzte das Mittel sehr in der Brustbräune; der einzige Kranke, en er von dieser schweren Krankheit völlig herzustellen das seltene Glück hatte, war durch einen halbjährigen Gebrauch desselben und zwei Fontanellen an den Schenkeln gerettet worden.

          Theden sagt nichts über Farbe, Geschmack und Geruch des Mittels.

          So unzweifelhaft die medizinischen Wirkungen waren, so zweifelhaft waren die Ansichten der Chemiker über die Natur desselben. Es hiess Spiessglanztinktur, die chemische Untersuchung zeigte aber, dass kein Spiessglanz darin enthalten war, überdem war der Prozess so kostspielig, umständlich und langwierig, dass die Ausführung die grössten Hindernisse finden musste. Gren sagte: es ist eine Auflösung der Blättererde in Weingeist,die wenigen Spiessglanztheilchen, die sie ja enthalten möchte, sind der mühsamen Bereitung nicht werth; und nach Westrumb war es nichts anders, als eine Auflösung des durch das lange Martern, wie er sich voll Mitleid ausdrückt, brandig gewordenen essigsauren Kali. Nicht ohne Spott sagt Elfers, sie sei um so weniger in den Apotheken zu finden, je mehr chemische Kentnisse der Apotheker besitze, und in Tromsdorff`s Journal wurde geradezu gesagt, diese unwirksame Tinktur verdiene doch wol einmal aus den Apotheken verwiesen zu werden - was denn auch geschehen ist.

          So vollständig bar waren die damaligen Chemiker aller Kenntniss der Zersetzung der essigsauren Salze durch die trockne Destillation, welche die Alchemisten vom 13. bis in`s 17. Jahrhundert mit so grosser Geduld und Aufmerksamkeit zum Ziele ihrer geheimen Arbeiten gemacht hatten.

          Es ist offenbar, dass auf dem langen Wege, den Theden ging, eine allmählige Zersetzung des essigsauren Kali mit theilweiser Zersetzung des Weingeistes in Essigsäure bewirkt und ein wirksames Medicament gewonnen wurde, dessen chemische Untersuchung die Aufgabe der heutigen Analyse sein wird.

 
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Eigene
Beobachtung über die Anwendung des Acetons.

          Ich habe das Aceton seit dem Jahre 1840 sehr häufig angewandt. Weil es nach dem Vorgange der Alten nicht blos das Aceton, sondern auch die Oele enthielt, so benannte ich es zur Unterscheidung Spiritus Aceti oleosus. Das Präparat war gut, doch entsprach es nicht ganz der Beschreibung der alten Chemiker, indem ihm der gerühmte köstliche Wohlgeruch fehlte, was wol darauf beruht, dass die früher gebräuchliche Bereitung durch lange und wiederholte Digestion und Destillation dies Mittel gewissermassen zur Reife brachte, wie der Wein durch Einlegen in ein Lager von angefeuchteten Grummet mittelst der dadurch erzeugten Wärme in Zeit von drei Monaten so veredelt wird, als wenn er drei Jahre lang auf Flaschen gezogen gelagert hätte. Es ist, wie aus den ältern Vorschriften hervorgeht, eine sehr delikate Operation, deren Grundbedingung Eile mit Weile heisst. Die Entwässerung des Acetons durch Destillation über Chlorcalcium icht chemisch richtig, aber nicht im Sinne der Arznei. Das reine Aceton, wie es jetzt aus den chemischen Fabriken eerhalten wird, ist nicht so kräftig, weder an Geruch und Geschmack, noch an arzneilicher Wirkung.

     Im Allgemeinen habe ich bemerkt:

          1. Es giebt dem Urin und Stuhlgang einen abscheulichen stinkenden Geruch wie Katzenurin und Katzenkoth. Ich beobachtete dies gleich im Anfange meiner Versuche bei einer Frau mit Grippe, der ich

                   R. Spir. Acet. oleos. Drachm. I.

                       Aq. destill. Unc. II.

                       Syr. Sachar. Unc. semis.

                    Ms. Zweistündlich einen Esslöffel voll

verschrieben hatte. In der zweiten Nacht liess sie einen Urin, dessen Gestank das ganze Zimmer erfüllte, so dass gelüftet werden musste. Im Hausflur, wo der Nachtstuhl stand, roch der Stuhlgang ebenso abscheulich. Der Gestank dauerte fort, so lange sie noch von der Arznei nahm, die bei der baldigen Besserung wegblieb.

          Bei einem schwindelsüchtigen Schneider im letzten Stadium zeigte sich schon nach 1/2 Drachme am folgenden Tage der stinkende Geruch im Stuhlgang und Urin, der in den folgenden Tagen noch abscheulicher und auch im Auswurfe bemerklicht wurde.

          Bei einer hysterischen nervösen Frau hatte nach 5 Tropfen der Urin schon nach einer halben Stunden den specifischen Geruch.

          Eine alte Dame erhielt

                R. Spir. Acet. oleos. Scrup. dimil.

                     Aqua destill. Unc. duas

                     Syr. Sachar. Unc. dimid.

                  Ms. Dreistündlich einen Esslöffel voll.

Es zeigte sich keine Veränderung im Urin. Als die Arzenei verbraucht war, verordnete ich

                R. Spir. Acet. oleos. Drachm. I.

                     Aq. dest. Unc. II.

                     Syr. Sachar.

                     Mucil. Gumm. arab. aa Unc. dimid.

                  Ms. Dreistündlich einen Esslöffel voll.

In der Nacht roch der Stuhlgang abscheulich, und dies dauerte fort, so lange sie die Arzenei nahm.

          Alle Kranke waren ganz betroffen von dieser Erscheinung, glaubten aber oder liessen sich leicht überreden, dass sehr schädliche verdorbene Stoffe aus dem Blute ausgeschieden würden, und ich hielt im Interesse der Beobachtung eine nähere Aufklärung nicht für angemessen.

          Der Urin selbst zeigte keine besondere Veränderung, er war bald sauer, bald neutral, bald hell, bald trübe, in einzelnen Fällen ging er in grösserer Menge ab.

          2. Eine Wirkung auf den Schweiss habe ich nicht beobachtet, wo eer eintrat, war er mehr Folge der Entwicklung der Krankheit selbst.

          3. Eine sichtbare Wirkung hat er auf die Nerven.

          Ein Polizeidiener hatte eine schwere Meningitis spinalis gehabt, die mit dem Glüheisen und den kräftigsten Mitteln behandelt worden war. Er hatte davon eine Neuralgie des Nackens mit beständigem convulsivischen Schütteln des Kopfes behalten, was verschlimmert wurde, wenn er sich aufrichtete, wobei der Kopf und Nacken unter hefitgen Schmerzen in den Schultern umd im Kreuze rückwärts gezogen wurde, so dass er nie frei sitzen konnte, sondern den Kopf immer anlehnen musste. So war sein Zustand, als er nach einigen Jahren, 57 Jahre alt, im August 1840 in meine Behandlung kam. Ich versuchte bis zu Ende December eine homöopathische Cur mit hohen Verdünnungen von Balladonna, Nux vomica, Cocculus ohne wesentlichen Erflog. Im Januar 1841 fing er den Spiritus Aceti oleosus an. Bald zeigte sich einige Besserung; nach drei Wochen hatte er 6 Stunden sitzen und Solo spielen können. Ende Februar war die Besserung so weit fortgeschritten, dass er frei sitzen und herumgehen konnte, der Kopf zwar noch zitterte, aber nicht mehr zurückgezogen wurde. Ende März hatte er bei gutem Wetter kleine Spaziergänge machen können, und nur ein längerer Gang griff Rücken und Kreuz noch an; das Zittern und Schütteln des Kopfes, was einen sonderbaren Anblick darbot, war geblieben. Er hatte das Mittel drei Monate lang immerfort gebraucht, und da er mit seinem Zustande zufrieden war, und seine beschränkte Lage die Arzneikosten nicht gut tragen konnte, so wurde die Cur geschlossen. Das Zittern des Kopfes hat er bis zu seinem Tode im Jahre 1860 behalten.

          Die hysterische Frau, bei der der Urin schon nach einer halben Stunde nach der Arznei roch, fühlte nach 5 Tropfen eine wohlthätige Wärme im Magen, die von da nach dem Kopfe aufstieg mit grosser Erleichterung desselben; dabei minderte sich die Uebelkeit und am Herzen wurde es besser. Die gute Wirkung zeigte sich noch in den nächsten Tagen, die Krämpfe in den Gliedern liessen nach, der Schwindel vermnderte sich, der Schlaf wurde besser. Der Urin ging immer stark und hatte seinen auffallenden Geruch.

          Eine sehr nervöse Frau bekam eine Ohnmacht, die eine Stunde anhielt. Nacht acht Tagen, wo sie noch sehr angegriffen war, nahm sie

                   R. Infus. rad. Valerian. Unc. II.

                        Spir. Acet. oleos. Scrup. I.

                        Syr. Aurant. Unc. semis.

                     Ms. Zweistündlich einen Esslöffel voll.

Schon Abends fühlte sie sich viel besser und belebter, und erholte sich bald ganz.

          4. Rheumatismus.

          Ein Kind hatte rheumatische Schmerzen im Hinterkopfe und Nacken mit leichter Fieberreizung. Nach drei Tagen war es ncoh nicht besser.

                     R. Spir. Acet. oleos. Scrup. I.

                          Syr. Sachar.

                          Mec. Gummi arab. aa Unc. semis.

                       Ms. Viermal täglich einen Theelöffel voll.

Danach schlief es Nachmittags fest wie nach Opium, und die Schmerzen verloren sich in den nächsten Tagen völlig.

          Eine Dame, die vielfach an Gesichtsschmerz litt, fühlte die Vorboten desselben.

                       R. Spir. Acet. oleos. Drachm. dimid.

                            Syr. Sachar. Drachm. tres.

                             Syr. Cinnamom. Drachm. unam.

                         Ms. Dreimal täglich einen Theelöffel voll.

          Danach verschwanden die Schmerzen, aber der Kopf war etwas eingenommen, weil, wie sie sagte, die Arznei zu stark sei. Der Geschmack war durch den Saft ganz versteckt, es schmeckte ihr aber doch wie Kreosot. Wahrscheinlich ist etwas davon in dem dicken Oele, da aber Kreosot auch schmerzstillend ist, so muss das Präparat bleiben.

          In manchen Fällen steigert es eerst den Schmerz, beschleunigt die Entwicklung der Krankheitsprozesses und treibt den Rheumatismus hervor nach Art der homöopatischen Verschlimmerung.

Ein junges Mädchen bekam Herz-Rheumatismus. Auf zwei Gaben von 1/4 Gran Aurum metallicum praecipitatum war am 2. Tage des Herz frei, dagegen stellte sich etwas Zahnweh ein, welches sich am 3. Tage verschlimmerte unter Schmerzen im Kopfe und Ohre der linken Seite. Am 4. Tage keine Aenderung. Spir. Acet. oleos. 5 Tropfen viermal täglich.

             5. Tag. Schmerzen geringer.

             6. Tag. Von früh an heftiges Reissen, 10 Tropfen pro dosi. Die ganze Nacht Schmerzen aber geringer. Von da an liessen sie nach, und waren am 9. Tage ganz verschwunden.

          Eine Frau hatte heftiges Kopfreissen, was die ganze Nacht durch fortgedauert hatte. Spir. Acet. oleos. innerlich und äusserlich ein Liniment aus

                  R. Spir. Acet. oleos.

                       Ol. Olivar. aa Drachm. I.

                        Tinct. Kalin. Scrup. I.

                    Ms. Zum Einreiben.

Danach Linderung und fast die ganze Nacht geschlafen.

             3. Tag. Schmerzen gelinder, aber Nachmittags ein neuer heftiger Anfall, der die ganze Nacht durch bis zum 4. Tage Nachmittags, volle 24 Stunden anhielt; dann Ruhe und Nacht gut.

             5. Tag. Kein Schmerz, Nacht gut.

             6. Tag. Nur eine Andeutung von Schmerz, der sich dann ganz verlor.

          Ein junges Mädchen bekam Frostschauder mit Anschwellungen des Zahnfleisches. Spir. Acet. oleos. Abends war das Zahnfleisch besser, aber die Lippe geschwollen mit stechenden Schmerzen in der Haut der Stirn und Schläfe.

             2. Tag. Nase, Mund und Wange erysipelatös geschwollen, alle andern Schmerzen weg. Die Arznei hatte also ohne Schweiss und Urin das Rheuma auf die Haut getrieben.

             4. Tag. Alles in Besserung. In der Nacht nach gutem Schlaf heftiger Frost.

             5. Tag. Nachmittags starker Schweiss, Eintritt der Menstruation acht Tage zu früh.

             6. Tag. Befinden gut.

          5. Bei fieberhaften Zuständen wirkt der Spir. Acet. oleos. zu erhitzend.

          Eine junge Köchin war seit acht Tagen unwohl, und hatte jetzt Kopfweh in der Stirn, Seitenstechen und Fieber. Spiritus Acet. oleos. 5 Tropfen zweistündlich. Nachts Reissen im Gesicht und in den Zähnen, womit der Kopfschmerz und Seitenstechen weggegangen waren.

               2. Tag. Der frühere Schmerz wieder, auch in der Nacht.

               3. Tag. Den ganzen Morgen Frösteln, Nachmittags Hitze und Durst. Beständig Bildersehen; es erscheint ihr alles grösser und fremdartiger; wenn sie die Augen schliesst, tritt eine Figur vor wie ein Mann im Mantel ohne Kopf, worüber sie aufschreckt; dabei wieder Reissen.

          Die Arznei wurde ausgesetzt.

          Nacht acht Tagen war das Fieber gehoben, sie hatte aber noch rheumatisches Ziehen in der Brust mit Beklemmung.

                 R. Spir. Acet. ol. Drachm. dimid.

                      Aq. destill. Unc. duas.

                      Syr. Sach. Unc. unam.

                   Ms. Dreistündlich einen Esslöffel voll.

          Am folgenden Tage fühlte sie sich ganz gesund. Die Arznei hatte den Urin stark getrieben.

          Ein Mann hatte gichtische Entzündung des rechten Handgelenkes mit Fieber. Spir. Acet. oleos.

          2. Tag. Schmerzen im Knie und Knöchel des linken Beines.

          3. Tag. Auch noch dazu Schmerzen im rechten Arm und Ellnbogen, Urin mit starkem ziegelrothem Bodensatze, belegte Zunge, keinen Appetit, Abends stärkeres Fieber mit vielen Durste.

          Das Mittel wirkte also zu erhitzend, und wurde ausgesetzt.

 
 
Ein Versuch mit reinem Aceton.

          Im Februar 1862 bekam eine alte aber noch lebensfrische Dame von 75 Jahren einen akuten Rheumatismus in den Schultern und im Rücken, der höchst schmerzhaft war. Nachdem das Fieber gemässigt war, verordnete ich am 26. Februar

                 R. Aceton pur. Drachm. unam.

                     Aq. dest. Unc. duas.

                     Syr. flor. Aur.

                 Ms. Dreistündlich einen Esslöffel voll.

          Es war dies reines Aceton aus einer chemischen Fabrik, da der frühere Spiritus Aceti oleosus in der Apotheke nciht mehr vorhanden war. Die Arzenei schmeckte nach dem Aceton aber nicht unangenehm, und machte im Magen ein Gefühl von Wärme.

          Die Kranke, die sonst immer an Hartleibigkeit leidet, hatte danach leichten breiartigen Stuhlgag, aber mit fürchterlichem Gestank, der Urin roch nicht danach.

          Sie nahm die Arznei bis zum 2. März, also volle sechs Tage. Der breiartige Stuhlgang hatte denselben pestilentialischen Gestank. Es wurde ihr zur Beruhigung vorgestellt, dass derselbe von dem ausgeschiedenen Gichtstoff herrühre und ein gutes Zeichen sei, sie erklärte aber, der Gestank sei nicht auszuhalten, und da der Rheumatismus nicht besser geworden war, so wurde die Arznei nicht repetirt. An den beiden folgenden Tagen war der Stuhlgang noch eben so beschaffen, und erst am dritten Tage war der feste Abgang ohne Acetongestank.

          Die Schmerzen waren bei Anwendung anderer Mittel bald stärker bald schwächer.

          Am 16. März verordnete ich

               R. Infus. rad. Valer. Unc. duas cum dimid.

                    Aceton pur. Drachm. unam.

                    Syr. Aurant. Drachm. sex.

               Ms. Dreistündlich einen Esslöffel voll.

Die Arznei wurde zweimal genommen. Sie fühlte sich danach etwas kräftiger, der Stuhlgang hatte wieder seinen Gestank, aber die Schmerzen blieben unverändert. Desshalb verschrieb ich am 21. März

                R. Tinct. Spigel.

                     Tinct. Rhododendr. aa Drachm. dimid.

                      Aq. Nuc. vomic. Unc. dimid

                      Syr. Sach. Drachm. duas.

                 Ms. Viermal täglich 25 Tropfen.

          Am 22. war sie durchaus frei von Schmerz, schllief aber schon viel am Tage und Nachts ungewöhnlich lange und fest, und beim Erwachen am 23. war sie wie gelähmt in allen Gliedern, und erst nach und nach kam eine geringe Beweglichkeit zurück.

          Gegen diesen drohenden Zufall erhielt sie Ammon. carbon. pyro-oleos. gr. 1. Dreimal täglich.

          Am 26. war es mit der Lähmung besser, und die Schmerzen fingen an sich wieder zu regen. Zur Belebung verordnete ich

                  R. Infus. hb. Rorismarin. Unc. quatuor.

                       Aceton pur. Drachm. unam.

                       Syr. Sach. Unc. dimid.

                    Ms. Zweistündlich einen Esslöffel voll und liess Ung. nervin. mit Linim. volatile einreiben.

          Am 28. hatte sie bei zunehmender Besserung leichten Stuhlgang noch ohne den spezifischen Geruch.

           Am 29. hatte der Stuhlgang wieder seinen fürchterlichen Gestank. Sie war ganz ausser sich darüber, dass in so kurzer Zeit sich wieder so viel Verdorbenes im Körper angesammelt haben sollte, da doch Tage lang nichts davon zu spüren gewesen war, und musste wol einen Argwohn gegen die Arznei gefasst haben, denn sie erklärte bestimmt, dass sie nichts mehr nehmen und von der guten Witterung Besserung erwarten wolle. Ich war für meinen Theio mit meinen Beobachtungen zufrieden und willigte ein. Als sie keine Arznei mehr nahm, wurde es mit jedem Tage besser, doch kehrten die rheumatischen Schmerzen zeitweise zurück, und erst nach langer Zeit kam sie wieder zu Kräften.

          Es folgt aus dieser Krankheitsgeschichte:

          1. Das Aceton purum macht den Stuhlgang eben so stinkend, wie der Spiritus Aceti oleosus. Selbstverständlich ist, dass dies nur bemerkt wird, wenn das Bedürfnis im Zimmer befriedigt wird.

          2. Es verändert den Urin nicht.

          3. Es hatte keine Heilwirkung auf den Rheumatismus wie der Spiritus Aceti oleosus, das ätherische Oel ist also für die arzeneiliche Constitution desselben wesentlich.

 
Antipyreton Poterii.

          Petrus Poterius, den Friedrich Hoffmann als medicorum sui aevi Principem bezeichnet, und dessen Opera practica el chymica er für so lehrreich hielt, dass er sie 1698 mit seinen Anmerkungen herausgab, hatte ein Fiebermittel in Gebrauch, was er Antipyreton nennt, und als das einzige und heilkräftigste vor allen andern rühmt.

          Er beschreibt 24 Fieberfälle, die damit behanelt wurden. Es sind Febris ardens, F. maligna, F. biliosa, F. hectica, F. tertiana simplex und duplex und F. quartana simplex und duplex. In manchen Fällen wurde nur eine Gabe überhaupt, in andern 3 bis 4 mal täglich gegeben. Die Heilung erfolgte bei den meisten überraschend schnell in wenigen Tagen, nur in 9 Fällen in 10 bis 14 Tagen. Bemerkenswerth ist, dass bei der Tertiana duplex in zwei Fällen ein Milztumor vorhanden war, der in dem einen nicht ganz gehoben wurde, und im zweiten selbst zugenommen hatte.

          Diese Beobachtungen veranlassten mich im Jahre 1844 das Mittel hier bereiten zu lassen, und damit bei folgenden Krankheitsfällen Versuche anzustellen.

1. Sudor intermitteus quotidianus.

          Eine alte Dame , die schon viele Jahre lang an Gicht litt und eine Gichtbeule auf dem Handgelenke hatte, bekam ein catarrhalisch-gastrisches Fieber, was mit der dritten Woche abgelaufen war, so dass sie wieder ausser Bett sein konnte. Vonda an stellte sich jeden Nachmittag eine Periode von Schweiss ein, die Anfangs fünf Stunden anhielt, und erst nach und nach kürzer wurde. Dieser Schweiss hatte nun schon regelmässig sieben Wochen gedauert, und die angewandten Mittel hatten keine Aendrung gemacht; zwischen durch regten sich ihre Gichtschmerzen.

          Dies war der erste Fall, wo ich das Mittel verordnete. Sie erhielt Abends eine Gabe von drei Tropfen Antipyreton. Danach hatte sie zuerst ein Gefühl von behaglicher Wärme durch den ganzen Körper, dann Kriebeln in allen Gliedern, darauf schlief sie ein und erwachte nach zwei Stunden in vollem Schweisse, worauf sie wieder schlief und schwitzte. Der Schweiss war klebriger wie sonst.

          2. Tag. Sie fühlte sich sehr munter und kräftig. Abends wieder ein Gabe Antipyreton, danach bald Jücken im Gesichte, besonders um die Nase, zum Reiben reizend, dann geschlafen mit allgemeinem Schweisse.

          3. Tag. Abends Antipyreton, danach nur geringes Jücken im Gesichte, dagegen anhaltendes Kriebeln in der Brust mit etwas Husten und Auswurf.

          4. Tag. Recht munter, die Gichtbeule ist auffallend kleiner gworden. Abends keine Arzenei, die ganze Nacht vortrefflich geschlafen.

          5. Tag. Sie fühlt sich ganz gesund und bei vollen Kräften.

          Drei Gaben Antipyreton waren also hinreichend gewesen, die langwierige Krankheit rasch und gründlich zu heilen.

 
2. Zoster.

          Eine alte Dame hatte eine Gürtelrose auf der einen Seite des Unterleibs mit den gewöhlichen lästigen Beschwerden. Am dritten Tage zeigten die Blasen einen schwärzlichen Grund.

          4. Tag. Starkes Fieber, Mattigkeit, Eingenommenheit des Kopfes, die Blasen waren an mehreren Stellen schwärzlich wie gangränescirend. Antipyreton 3 Tropfen. Nachtmittags viel Hitze und Schweiss mit heftigem Kopfweh in der Stirn, Auschlag schmerzhafter, Puls 108. Abends Nachlass, ruhiger Schlummer. Puls 88. Nachts abwechselnd geschlafen und geschwitzt.

           5. Tag. Ausschlag schön roth, doch sind noch einige Blasen schwärzlich. Nach dem Antipyreton bald Schweiss and der Stirn, dann grosse Hitze über den ganzen Körper mit vollem starkem Pulse von 108 Schlägen, darauf starker Schweiss ohne Durst; Nacht im Ganzen gut, immer geschwitzt.

          6. Tag. Früh immer noch Schweiss, die Blasen enthalten Eiter. Nach dem Antipyreton bald wieder stärkerer Schweiss, Nachmittagas Schweiss mässiger. Der Urin hat einen dicken röthlichen Bdensatz, Puls 100. Sie ist sonst ganz munter und fühlt sich kaum krank. Nachts zum Theil geschlafen, immer geschitzt.

          7. Tag. Puls 100, etwas gereizt: Anitpyreton, danach mässiger Schweiss und sedimentirender Harn. Der Zustand zeigte aber eine Veränderung, sie war sehr schwach, schlummerte oft, hatte zuweilen Stecken in der Seite und Nachts trockne Hitze mit Durst und keinen Schlaf

          8. Tag. Schwäche grösser, Puls 108, Zunge trocken. Jrtzt wurde mir erst mitgetheilt, dass die Krankke in der Mancht vorher in vollem Schweisse aufgestaden war, ankommenden Verwandten das Haus geöffnet, und sich dabein eine Erkältung zugezogen hatte. Die Krankheit ging nun in ein schweres Nervenfieber über, was mit einem uingeherem Decubitus schloss, aber doch glücklich überstanden wurde.

 
3. Febris gastricca nervosa.

          Eine alte Wäscherin erkrankte mit Frost, Kopfweh und Erbrechen.

          3. Tag. Frost massiger, Durchfall, Phantasiegebilde.

          4. Tag. Hitze, Mattigkeit, bittrer Geschmack, Serum lactis. Nachmittags und später wieder Bilder, Nacht unruhig.

          5. Tag. Breiiger Stuhlgang, Geschmack weniger bitter. Anitpyreton 2 Tropfen,bakd danach starkes Kneipen im Leibe bis gegen Abned ohne Stuhlgang, Bilder weniger:Abends wieder 2 Tropfen Antipyreton, wieder Leibkneippen ohne Stuhlgang, aber nicht so lange, dann drei Stunden geschlafen unter starkem Schweisse, nachher wieder geschlafen.

          6. Tag. Puls 108. Antipyreton repetirt. Nachmittags war sie aufgestanden, und hatte sich mit ihrer Wascharbeit bis zur Erschöpfung beschäftigt, aber Nachts doch ziemlich gut geschlafen, keine Bilder mehr.

          7. Tag. Alles besser. Antipyreton 1 Tropfen.

          8. Tag. Sie fühlt sich wieder kräftig und ganz wohl.

 
4. Unterdrückter Fussschweiss.

          Ein junges Mädchen war durch Verschwinden ihres sehr starken Fussschweisses seit sechs Wochen kränkelnd, und hatte jetzt Fieber mit fauligem Aufstossen und Schmerzen im Leibe. Magnesia usta.

          2. Tag. Die gastrischen Symptome waren gehoben, dagegen hate sie starke Schmerzen über die ganze Brust. Abends Antipyreton 3 Tropfen, bald danach brach sie alles aus.

          3. Tag. Aufstossen von Säure. Der Magen hatte also das Antipyreton nicht angenommen, weil er noch nicht rein war. Eswurde nun eine anti-gastrische Behandlung eingeschlagen, und am 9. Tage, wo es besser geworden, aber noch Brustschmerz vorhanden war, wurden Abends 3 Tropfen Antipyreton gegeben. Danach bekam sie ein Klopfen in den Beinen, was eine ahlbe Stunde anhielt, dann Schlaf, aber kein Schweiss.

         10. Tag. Noch Brustschmerz, Abends Antipyreton, danach wieder eine halbe Stunde lang Klopfen in den Beinen, dann Schlaf aber kein Schweiss.

          11. Tag. Brustschmerzen gehoben, dagegen Schmerz in der linken Seite. Abends Antipyreton, danach eine Stunde lang Klopfen in den Beinen, dann unruhiger Schlaf durch einen fressenden Schmerz in der Seite.

          Da das Antipyreton nicht zum Ziele führte, so wurden andre Mittel gegeben, wodurch endlich der Fussschweiss und damit Genesung zurückkehrte.

 
5. Rheumatismus acutus.

          Ein Knabe von 6 Jahren bekam Fieber, am 3. Tage entstand Schmerz im Knie.

          4. Tag. Das rechte Knie geschwollen, auch das linke schmerzhaft und Schmerz in der linken Seite. Puls fieberhaft. Die Schmerzen waren so heftig, dass sie lautes Weinen und Schreien auspressten, und die Eltern in Verzweiflung waren.

               R. Antipyret. gtt. tres.

                    Aq. destill. Unc. unam cum dimid.

                    Syr. Sachar. Drachm. unam cum dimid.

                 Ms. Dreistündlich einen Kinderlöffel voll.

Danach eine viel bessere Nacht, aber nicht geschwitzt.

          5. Tag. Die Schmerzen haben sich nach den Füssen und nach der Hand gezogen. Fieber geringer, mässig feuchte Haut. Die Arzenei repetirt.

          6. Tag. Alles besser.

          7. Tag. Gut.

 
6. Ischias.

          Eine Frau hatte seit acht Tagen Ischias nervosa, was mit jedem Tage sich gesteigert und die letzte Nacht allen Schlaf verhindert hatte. Dabei hatte sie etwas Fieber, wenig Appetit, mehr Durst.

              R. Antipyret. gtt. sex.

                   Mucil. Gummi arab.

                   Syr. Sachar. aa Drachm. unam.

              Ms. Morgens und Abends die Hälfte.

Auf die erste Gabe war es Nachmittags schon besser, und nach der zweiten hatte sie fast die ganze Nacht geschlafen.

          2. Tag. Keine starken Schmerzen, nur ein Summen in dem Beine, aber das Auftreten ging noch nicht. Blos Abends die Hälfte der Arzenei.

           3. Tag. Zunahme der Besserung.

           6. Tag. Jeden Tag besser, sie konnte auch einige Schritte gehen. Meine Abreise nach Bad Teplitz unterbrach die Behandlung.

 
7. Rheumatismus dorsalis.

          Eine Frau hatte sich Nachts durch rasches Aufstehen aus dem Bette, um ihrem kranken Manne zu helfen, erkältet, und sich dadruch die heftigsten Schmerzen im Kreuze, die bis in die Brust strahlten, zugezogen.

             R. Antipyreton gtt. IV.

                 Aq. Nuc. vom. Unc. dimid.

                 Syr. comm. Drachm. unam.

               Ms. Dreistündlich 20 Tropfen.

Am folgenden Tage waren die Schmerzen geringer und am dritten ganz verschwunden.

 
8. Sedativum.

          Eine hysterische Frau nahm Abends eine Gabe Antipyreton; danach Nachts mehr Schlaf, weniger Schweiss, viel Urin. Am zweiten Abends wieder Antipyreton, danach noch besser geschlafen, weniger Schweiss, viel Urin, die Nerven beruhigt; sie glaubte, es sei Opium in den Tropfen.

          Ein geistesschwacher, an Hallucination und allgemeinen Krämpfen leidender Mann schlief auf eine Gabe Antipyreton Abends sechs Stunden lang ruhig und sprach am folgenden Tage nicht mehr irre.

 
9. Exaestuatio sanguinis.

          Eine alte, aber noch rüstige, corpulente Frau, die seit vielen Jahren an beständigem Zischen, Singen, Zwitschern, Kreischen und Brausen im Kopfe, nicht in den Ohren, litt, was bei stärkerm Toben von einem harten, gespannten, beschleunigten Pulse begleitet war, erhielt Abends 3 Tropfen Antipyreton und hatte danach eine viel schlechtere Nacht mit verstärktem Kreischen, was am folgenden Tage noch schlimmer war. Hier wirkte es also nachtheilig. Auf Cremor Tartari beruhigte sich die Blutwallung.

          Diese auffallend günstige und rasche Heilwirkung des Antipyreton, was ich ausserdem noch viel gebraucht habe, ohne besondre Notizen darüber aufzunehmen, liess mich dasselbe sehr hoch schätzen und mein Vertrauen dazu befestigen.

          Die Vorschrift dazu hat Poterius aus dem Quercetanus genommen, der sie in der Pharmacopoea p. 675 unter dem Titel Antidotus Lysipyretos Antimonii mittheilt. Sie lautet:

                R. Florum rubrorum Antimonii Unc. IV.

                     Florum sulfuris sublimatorum ad perfectam albedinem Unc. II.

Misceantur cum duplo colchotaris Vitrioli hungarici aut cyprii ac ter subilmentur, habebis flores rubicundissimos, si bene operatus fueris. Hi cum acidiate vitrioli Veneris primo, deinde cum vero Saturni aethereo spiritu essentificantur.

          Hujus philosophicae essentificationis si callueris artem, medicinam suscipiendam concinabis, veram Antidotum Lysipyreton, omnis generis febras, pestiferas etiam sedantem et extinquentem, si ad IV. aut V. guttas de ea ex idoneo liquore propinaveris.

          Die Vorschrift besagt also:

       1. Floris rubri Antimonii, flores sulfuris und Colchotar werden dreimal sublimirt.

       2. Der Sublimat wird zuerst mit der Aciditas vitrioli Veneris, das heisst: mit Acetum Aeruginis, Essigsäure aus Grünspan, behandelt, dann

        3. mit Spiritus aethereus Saturni, d. i. mit Aceton, zur Essenz gemacht.

          Lemery bereitete die Flores rubri Antimonii durch Sublimation von zwei Theilen Antimonii crudi und einem Theile Salmiak. Der Sublimat wurde ausgewaschen, hielt aber immer noch einen Theil Salmiak zurück. Die Flores hatten nach der Aussüssung eine viel schönere und höhere Farbe.

          Ich habe wiederholt Chemiker gefragt, was für ein Präparat durch die Sublimation erhalten werde, es hat aber keiner ohne analytische Untersuchung eine entscheidende Antwort geben mögen.

          Im April 1860 nahm der Apotheker Dr. Kayser auf meine Veranlassung eine Prüfung des Antipyreton vor. Auf Zusatz von Schwefelwasserstoff-Wasser bildete sich ein starker schwarzer Niederschlag, der mit Salzsäure behandelt, sich als Eisenoxid auswies.

          Im Mai 1862 wurde von demselben in meinem Beisein die Untersuchung wieder aufgenommen und ergab Folgendes:

           1. Schwefel-Ammonium - starker schwarzer Niederschlag.

           2. Kalium-Eisencyanür - grüne Färbung, ein Zusatz von
               Kalium-Eisencyanid   veränderte nicht die grüne Farbe.

           3. Kalium-Eisencyanid - gleich blau. Beim Erhitzen schied sich das
               Berliner Blau in Flocken aus, und die Flüssigkeit wurde grasgrün.

           4. Das durch Kalium-Eisencyanid erhaltene Berliner Blau wurde durch
               Zusatz von Kalium-Eisencyanür grasgrün.

           5. Der durch Schefel-Ammonium erhaltene schwarze Niederschlag in
               Salzsäure gelöst, dann Salpetersäure zugesetzt zur Oxydation
               des Eisens, gab eine gelblich gefärbte Flüssigkeit. Durch Zusatz von Kali
               causticum, um das Oxyd auszufällen, entstand ein röthlich gelber
               Niederschlag von Eisenoxydhydrat. Dieser Niederschlag
               abfiltrirt, ausgewaschen und mit Salzsäure versetzt, gab auf Zusatz von
               Blutlaugensalz Berliner Blau.

           6. Antipyreton mit Argentum nitricum versetzt, flockiger käsiger
               Niederschlag, der sich in Ammoniak sogleich löste - Zeichen
               von Chlor.

           7. Mit Chlorbaryum versetzt - weisser Niederschlag, der sich weder in
               vielem Wasser, noch in Salpetersäure auflöste - Zeichen von
               Schwefelsäure.

           8. Mit Chlorwasserstoffsäure angesäuert, dann mit Schwefelwasserstoff
               versetzt - keine Veränderung, also kein Antimon.

           9. Mit Kali versetzt und ein mit Salzsäure benetzter Glasstab darüber
               gehalten - weisse Dämpfe, Zeichen von Ammoniak.

          Weiterhin untersuchte Dr. Graeger durch Titriren von 5 Tropfen Antipyreton, und bestimmte den Gehalt in 1 Drachme an Eisen auf 1 7/10 Gran Metall = 1,57 Oxydul = 2, 4/10 Oxyd

           Das Antipyreton enthält also ausser Essigsäure und Aceton

                      1. Eisen,

                      2. Chlor,

                      3. Schwefelsäure,

                      4. Ammoniak.

          Es hat eine gelbbraune Farbe, den Geruch von Essigsäure und schmeckt nach Essig, mit einem entfernt süsslichen Beigeschmack und einem bittern, etwas herben heissen Nachgeschmacke.

          Es bleibt von ärtzlicher Seite sehr zu wünschen, dass diess kräftige Arzeneimittel von der kunstfertigen Hand und dem Scharfblicke eines Chemikers in seiner chemischen Constitution gründlich erforscht werde.

 
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          Ich habe mit Mischungen von Aceton und Säuren Versuche angestellt. Es wurden vier Gläschen mit 1/2 Drachme Aceton und je eines mit 5 Tropfen Schwefelsäure, Salzsäure, Salpetersäure und Essigsäure angesetzt. Das mit Schwefelsäure färbte sich schnell braun-röthlich und war nach 8 Stunden braunroth. Das mit Salzsäure zeigte nach 8 Stunden einen schwach röthlichen Stich.

          Am zweiten Tage war das mit Schwefelsäure dunkelbraunroth; das mit Salzsäure schwach röthlich; die andern beiden zeigten keine Veränderung.

Am  6. Tage:     Schwefelsäure dunkelbraunroth,

                         Salzsäure gelblich,

                         Salpetersäure grünlich-gelber Stich,

                         Essigsäure unverändert.

Am 11. Tage:    Schwefelsäure schwarzroth,

                         Salzsäure bräunlich-gelb,

                         Salpetersäure grünlich-gelber Stick,

                         Essigsäure unverändert.

Am 14. Tage:    Schwefelsäure und Salzsäure wie vorher, ohne Bodensatz,
                        Salpetersäure schwach grünlich-gelb, mit geringem weissen
                        schleimigen Bodensatze, Essigsäure unverändert, mit geringem
                        weissen schleimigen Bodensatze.

Nach 6 Wochen:Schwefelsäure schwarzroth, ohne Bodensatz,
                        Salzsäure rothbraun wie Madeirawein, ohne Absatz,
                        Salpetersäure schwach grünlich-gelb, mit geringem weissen
                        schleimigen Bodensatze,
                        Essigsäure unverändert, weiss mit geringem weissen schleimigen
                        Bodensatze.

          Der Kork auf die Schwefelsäure war stark eingeschrumpft und schwarz; der auf der Salzsäure weniger eingeschrumpft und braun; der auf der Salpetersäure wenig eingeschrumpft und ungefärbt; der auf der Essigsäure ebenso.

          Geruch und Geschmack:

Schwefelsäure, Geruch nach Aceton, Geschmack sauer, hinten nach bitter.

Salzsäure, Geruch nach Aceton, Geschmack sauer, hinten nach bitter.

Salpetersäure, Geruch schwächer nach Aceton, etwas ätherisch, Geschmack nicht sauer, sondern bitter.

Essigsäure etwas ätherisch, Geschmack sauer, dann brennend.

 

Versuche mit Verdünnungen.

          Es wurden dazu 5 Tropfen von jeder Mischung in eine Drachme Wasser gegeben.

          Schwefelsäure. Die Tropfen bildeten erst oben eine Schicht, beim Umschütteln wurde die Flüssigkeit bräunlich. Nach 8 Stunden war die Mischung wasserfarbig, etwas trübe, und an den Wänden über dem Niveau hatte sich etwas Oelartiges abgesetzt. Geruch nach Aceton, Geschmack stark sauer, dann bitter und brennend, lange anhaltend im Munde, aber im Schlunde keine Empfindung. Der bittere und brennende Nachgeschmack war noch am folgenden Tage bemerklich.

          Salzsäure. Geruch schwach nach Aceton, unmerklich ätherisch. Geschmack säuerlich, hinterher bitterlich, dann mässig brennend, auch etwas zusammenziehend auch im Schlunde, auch einigemal Aufstossen bewirkend, später säuerlicher Geschmack im Munde, Gefühl von Wärme am Herzen, zuletzt Geschmack noch bitterlich, lange anhaltend.

          Salpetersäure. Geruch schwach nach Aceton, etwas ätherisch, Geschmack schwach säuerlich, dann bitterlich und hinterher gelinde brennend, aber blos im Munde, nicht im Schlunde, später Gefühl von Wärme im Magen.

          Essigsäure. Geruch kaum merklich säuerlich, Geschmack anfangs schwach säuerlich, dann schwach bitterlich und gelinde brennend, längere Zeit im Schlunde anhaltend.